(4/6) Differenzen

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Während er sich Mühe gab ihn einzuholen, nahm er sich vor, diesmal auf jeden Fall aufmerksamer zu sein. Er wollte sich den Weg einprägen, zumindest soweit, wie es möglich war. Jeder Hinweis, jede Besonderheit konnte ihm später bei der Rekonstruktion behilflich sein. Noch immer wollte er wissen, wo er in diesen vier Tagen und Nächten gewesen war.

Auch heute Nacht hatte er wieder keine Orientierung bezüglich ihres Startpunktes – beim letzten Mal war es die Gasse am kleinen Wasserbecken gewesen, diesmal ein quadratischer Platz mit einer Treppe auf der einen Seite. Auch wusste er nicht, ob beide Orte im selben Bezirk und nahe beieinander oder an ganz verschiedenen Punkten der Stadt lagen. Aber das erschien ihm jetzt nicht wichtig. Er hatte sich den Platz gut eingeprägt und bemühte sich nun, die Augen in der Dunkelheit so gut wie möglich offen zu halten, um sich zumindest die markanten Details ihres weiteren Weges merken zu können.

Er erinnerte sich noch sehr gut an seine verzweifelte und völlig ergebnislose Suche am Nachmittag in seinem Hotelzimmer. Trotzdem hatte er nun Hoffnung, diesmal mit mehr Anhaltspunkten zurück zu kehren. Diesmal würde er den Ort auf der Karte wiederfinden.

Valerio ging mit leichtem Schritt voraus. Und obwohl er sich bewegte, als würde er nur einen Spaziergang machen, war er bemerkenswert schnell und ausdauernd. Magnus musste sich beeilen, um hinterher zu kommen und ihn in der Dunkelheit nicht zu verlieren. Bei diesem Tempo ging ihm langsam die Kondition aus. Er atmete bereits angestrengt, seine Tasche störte ihn beim Laufen und er kam ins Schwitzen. Um ihn wenigstens in Sichtweite zu behalten, musste er ständig zwischen einem leichten Trab und schnellem Ausschreiten wechseln. Acht, neun, zehn Schritte in schnellem Gang, und Valerio hatte ihn beim Einbiegen in die nächste Gasse abgehängt.

Sie durchwanderten zunächst ein Gewirr von Gassen. Dann liefen sie am Rand eines kleinen, kreisrunden Platzes mit einem Brunnen in der Mitte entlang, um kurze Zeit später wieder ins Dunkel der unbelebten Gänge und Wege einzutauchen.

Magnus blieb keine Pause. Dieser Weg erschien ihm wie ein Marathon. Bald begannen ihn Seitenstiche zu plagen. Wenn er neben ihm her traben würde, käme er sich albern vor – wie ein Kind, das mit den langen Beinen seines Vaters mitzuhalten versuchte! Wenn er jedoch ging und sich dabei lediglich um ein zügiges Tempo bemühte, so genügte dies nicht, um sich dicht hinter Valerio halten zu können, und erst Recht nicht, um zu ihm aufzuschließen.

Gerade dachte er daran, Valerio um ein mäßigeres Tempo zu bitten - unter Verlust seines persönlichen Stolzes, wenn es sein musste - da bogen sie in einen kurzen Gang ein, an dessen Ende ein Kanal quer verlief. Links und rechts gab es noch wenige Meter gepflasterten Weges am Wasser entlang, dann ging es zu Fuß nicht mehr weiter, jedenfalls schien es so. Valerio war dennoch zielstrebig nach rechts abgebogen; plötzlich kam in der Dunkelheit eine kurze und flache Brücke ohne Geländer in Sicht. An ihrem anderen Ende schaukelte eine Gondel im Wasser. Der Mond war aus einer Wolke aufgetaucht. In seinem kalten Licht wurden über dem Kanal Nebelschwaden sichtbar.

"Warte!" Er blieb stehen. "Warte einen Moment ... wir müssen etwas klären."

Valerio hatte die Brücke bereits betreten. Als er sich zu ihm umwandte, wirkten die dunklen Augen gespenstisch im blassen Marmor seines Gesichts. Wind kam auf und verfing sich in dem dunklen Stoff, der offene Mantel wogte hinter ihm wie eine Welle. Die Haare wehten ihm ins Gesicht. Er rührte keine Hand, um sie zu bändigen.

Magnus betrachtete ihn atemlos, fasziniert. Immer wieder verblüffte er ihn. Er konnte nicht nur still stehen, als sei er in Stein gemeißelt, sondern er war auch in der Lage, seine Ausstrahlung plötzlich und radikal zu verändern und damit von einem Augenblick zum nächsten diese oder jene Wirkung zu erzielen. Wie er das zustande brachte, er hatte keine Ahnung. Aber langsam begann er Valerios unterschiedliche Stimmungen zu unterscheiden und sich sogar ein wenig an seine Art zu gewöhnen. Das Befremdende an dem, was ihn ausmachte, wich langsam zurück und machte ganz neuen Empfindungen Platz: Aus anfänglicher Angst und Irritation wurde Bewunderung und Neugierde.

Er riss sich aus seinen Gedanken und gab sich einen Ruck. „Du ... hast keinen Einfluss auf mich genommen, während wir gingen. Ich habe darauf geachtet. Warum nicht? Beim letzten Mal hattest du ... also, da war ich irgendwie ..."

"... in einem anderen Zustand", ergänzte Valerio. Dann hob er verwundert eine Augenbraue. „Möchtest du in einem anderen Zustand sein als...", er wies mit dem Kinn zu ihm hinüber, "... in diesem?"

Mit aller Kraft stemmte Magnus sich gegen die Wirkung der samtenen Stimme. Valerios Gegenfrage lenkte ihn ab, aber auch die Art, wie er es sagte. Seine Antwort wäre ein klares Nein. Aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass die Frage mehr Zündstoff enthielt, als er überblicken konnte. Vorsichtshalber ignorierte er das Gesagte und fuhr fort: "Also ... ich meine, wie viel bekomme ich von der Fahrt, von unserem Weg mit? Ich habe nicht vor, irgendjemandem zu verraten, wo du lebst. Ganz sicher nicht, ich schwöre es. Du kannst dich auf mich verlassen.  Was und wie viel von unserem Weg darf ich also diesmal sehen?"

Valerio ließ ein amüsiertes Lachen hören. Er legte den Kopf schräg und betrachtete ihn nachdenklich. "Il meno possibile", sagte er ruhig. "So wenig wie möglich."

Das hatte er sich bereits gedacht. Er würde es mit ihm ausfechten! Er würde nicht zulassen, dass er noch einmal in diesen Schlafzustand geschickt wurde, er wollte das nicht. Er wollte sehen, wohin sie fuhren, wollte den Weg nicht verpassen. Diesmal würde er nicht ausgeliefert sein, sondern die Kontrolle behalten.

"Ich komme mit. Unter zwei Bedingungen." Seine Stimme zitterte, aber er achtete nicht darauf. "Ich lasse mir nicht die Augen verbinden. Und ... ich werde wach bleiben."

Er schluckte. Das konnte hart werden. Valerio hatte es bereits mehrfach bewiesen, er setzte sich durch, wann immer er wollte. Bisher jedenfalls hatte es nichts gegeben, was er dagegen tun konnte. Was geschah nun? Würde Valerio ihm diesmal so weit vertrauen, dass er seiner Forderung nachgab?

Als hätte er laut gedacht, schüttelte Valerio langsam den Kopf. Er sagte nichts, verzog keine Miene - und Magnus, der bereits den Verdacht hatte, dass er viele seiner Gedanken mitverfolgte, wusste nicht, wie er sein Kopfschütteln und das Schweigen deuten sollte.

Regungslos stand er da, schaute über das Wasser und Magnus wartete. Die eine Hälfte des schönen Gesichts beschien der bleiche Mond, die andere lag in tiefem Schatten. Es wirkte, als habe er vergessen, dass er nicht allein war.

Es machte ihn nervös, so lange auf eine konkrete Reaktion warten zu müssen, aber er hielt es für klüger, ihn nicht noch mehr zu bedrängen.

Schließlich seufzte Valerio. Langsam wandte er den Kopf zu ihm hinüber, bis ihre Blicke sich trafen. Seine Züge verrieten noch immer nicht, was in ihm vorging. Sein Blick ruhte nachdenklich auf Magnus' Gesicht, als müsse er abwägen, ob er vertrauenswürdig genug sei.

„Ich meine es ernst." Magnus sah ihn fest an. "Ich möchte wach bleiben. Ich will den Weg sehen."

Valerios Augen funkelten im diffusen Licht des Mondes. Energisch streckte er ihm seine Hand entgegen. "Komm her."

Zwei Worte nur, eine simple und knappe Aufforderung - auf Magnus jedoch wirkte sie wie ein Peitschenknall, der dicht über seinen Kopf hinweg ging. Erschrocken zuckte er zusammen. Was passierte nun? Warum sollte er näher kommen? Er wollte auf keinen Fall, dass Valerio ihn in Schlaf versetzte! Er tat einige Schritte auf die Brücke, zwei oder drei, mehr nicht. Dann blieb er wieder stehen. Was wollte Valerio von ihm? Die Sache war noch nicht zuende besprochen. Er  zögerte.

Valerio beobachtete ihn genau. Er fixierte ihn, während er ihm entgegen ging, Schritt für Schritt, langsam, bis beide dicht voreinander standen.

Ende Teil 31






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