III. B A N D - (15/1) Rocca Albornoz im Jahr 1521

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                                                             B A N D III

               >>MUT IST NICHT ABWESENHEIT VON ANGST, SONDERN
                                    VORWÄRTS GEHEN TROTZ ANGST.<<


"Ist das nötig?" Mit beringtem Finger wies der Kardinalpriester auf die beiden Stangen.

Während der ältere der beiden Wachmänner sich eifrig verneigte, umklammerte er das Ende des eisernen Stabes, den er hielt, mit festem Griff. "Eure hochwürdige Eminenz... Es dient Eurer und unserer Sicherheit. Wir mussten..."

Die Stange wirkte wie ein Hebel. Die leichte Drehung, die der Verbeugung geschuldet war, zwang den Gefangenen für den Moment in eine rückwärts gebogene Haltung hinein. Ein ersticktes Würgen ließ den Kardinal aufhorchen. Es endete mit einem trockenen Husten, als die Verbindung zwischen Stange und Halsring einen neuen Winkel einnahm und das Metall den Kehlkopf wieder frei gab.

Neugierig nahm Vincenzo Grassi die Gestalt des Gefangenen auf. Er starrte auf den verhüllten Kopf, als könnte er dadurch zu dem Gefesselten vordringen."Er ist... rebellisch?"

Die Antwort des Wächters kam zögernd und ein wenig zu leise. "Nein, Eure Eminenz. Nicht direkt..."

Die Brauen des Kardinals zeichneten verwunderte Bögen über den eisgrauen Augen. "Nicht rebellisch... warum dann die Stangen?"

Unsicher sah der Wächter auf den Gefangenen, dann tauschte er einen kurzen Blick mit dem anderen Wachmann. Dieser nahm seinen Mut zusammen und beeilte sich zu erklären: "Ein Häretiker... und unberechenbar, Eminenz."

Vincenzo Grassi hob die Hand zu einer beschwichtigenden Geste. "Nun... er hat sich jedenfalls nicht gerührt, seit ihr ihn herein gebracht habt. Allzu gefährlich erscheint er mir nicht. Aber gerne könnt ihr mich eines Besseren belehren. In wieweit wird er beschuldigt? Und wer ist der Kläger?" Er sah zwischen den beiden hin und her, die Männer senkten den Blick; sie schienen dem jeweils anderen den Vortritt lassen zu wollen. "Antwortet", bellte der Kardinal ungeduldig, "ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Was genau wird ihm vorgeworfen?"

Ein Mord", begann der ältere der beiden, und der jüngere ergänzte: "Die Umstände, Hochwürden, sie sind..."

"Ein Mord, für sich genommen, macht noch keine Häresie. Das liegt nicht in unserer Zuständigkeit."

Die schwere Seide des Gewandes verursachte ein schleppendes Geräusch auf dem Boden, als der Kardinal nahe an den Gefangenen heran trat. "Habgier oder Neid, auch Rache und andere niedere Dinge, die den Menschen morden lassen", sagte er nachdenklich, "bringen die Sache zwar in den Bereich der Todsünden - und das wird ihn mehr als sein Leben kosten, sollte er nicht bereuen. Aber Häresie? Ketzerei? Dazu gehört weitaus mehr."

Der Mann unter der sackartigen Kapuze wandte sich dem Kardinal zu.

"Ist er denn Protestant? Oder Jude?" Vincenzo Grassi legte den Kopf schräg. Als könnte er Blickkontakt aufnehmen, fixierte er die raue Kapuze dort, wo er die Augen vermutete. "Hat er seinen Namen gesagt?"

Der ältere Wächter zuckte mit den Schultern und machte ein hilfloses Gesicht. "Nein, Eminenz, das hat er nicht. Man weiß nicht, wer er ist. Aber wir haben..."

Eine erhobene Hand brachte den Wachmann zum Schweigen. "Du hörst, was man über dich sagt", wandte der Kirchenmann sich an den Gefangenen. "Ich bin Kardinal Vincenzo Grassi da Narni, ermächtigt durch das Oberhaupt der Heiligen Römischen Kirche und befasst mit inquisitorischen Fragen in der Provinz Interamnium... geläufiger unter dem Namen Terni." Er ließ die Worte einen Augenblick wirken, dann überbrückte er die kurze Distanz zum Gefangenen. Die Wächter strafften sich an den Enden der Stangen und nahmen einen stabilen Stand ein.

Der Kardinal streckte den Zeigefinger aus und berührte das Brustbein des Mannes unterhalb der Kapuze. Er warf den Wachen, die den Gefangenen mit ihren Stangen unter Kontrolle hielten, einen Aufmerksamkeit heischenden Blick zu. "Du bist in Narni", säuselte er halblaut gegen das dunkle Leinengewebe. Darunter blieb es still. "Für den Fall, dass du dich fragst, wohin man dich gebracht hat", ergänzte er langsam, ließ seinen Finger noch einen Moment auf der nackten Brust, drückend und bohrend - dann zog er ihn wieder zurück.

Der Gefangene hatte sich bei der Berührung aufgerichtet. Er überragte den Kardinal um zwei Handbreiten. Seine Aufmerksamkeit schien geweckt.

"Ja, in Narni sind wir", wiederholte Vincenzo Grassi laut und ließ seine Worte in alle Ecken und Winkel des großen Raumes dringen. "Du hast richtig gehört. In der Rocca Albornoz, dem befestigten Bollwerk Päpstlicher Macht. Hier herrscht der einzige, der wahre Glaube, verkörpert durch die Heilige römische Kirche. Aber ich meine, du gehörst vor ein weltliches Gericht, wenn du ein Mörder bist - Obwohl vor allen anderen Gott selbst solche Taten verurteilt. Ein Mörder... wenn das wahr ist. Was sagst du zu dieser Beschuldigung?"

Der Gefangene rührte sich nicht. Er schwieg. Die Wächter wechselten Blicke.

"Du hast hier und jetzt Gelegenheit dich zu verteidigen. Noch bevor ein Kläger gestellt ist und der Prozess gilt. Also... Eine Erklärung vielleicht?"

Der Kardinal ließ dem Mann einen Moment Zeit. Dann nickte er stumm. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt richtete er seine Schritte rückwärts von ihm weg. Er blieb stehen. Sein Blick ging über den Oberschenkel des Gefangenen. Er betrachtete den blutigen Riss in der Hose, das getrocknete Blut am Oberarm. "Ist er verletzt?" Über sein Gesicht zuckte ein angespannter Ausdruck, der sich jeder Interpretation entzog. "Kann er nicht sprechen? Oder spricht er nicht unsere Sprache?"

"Er spricht. Wenn er will. Er ist ein Landsmann. Vorhin hat er..."

Ungeduldig hob der Kardinal erneut die Hand. "Ich will sein Gesicht sehen. Er wird sprechen, wenn wir Auge in Auge sind."

Die Wächter wollten die Stangen von dem Halsband lösen, das über der Kapuze angebracht war.

"Wartet... Haltet ein. Lasst ihm den Halsring. Die Stangen auch. Nehmt ihm nur die Kapuze ab."

Der jüngere Wächter trat an den Vermummten heran. Er stützte die Stange notdürftig in seiner Armbeuge, während er ihm die Kapuze im Nacken mit einem Ruck unter dem Eisenring heraus und nach vorne über den Kopf zog. Durch ihr Eigengewicht verlor die Stange ihren Halt, sie rutschte aus der Armbeuge des Wächters heraus und zog den Halsring mit sich, während sie ihn zugleich ungünstig verdrehte. Der Gefangene stieß einen Schmerzenslaut aus, dann wand er sich röchelnd und ging in die Knie. Der Wächter sah zu, dass er die Stange auffing, bevor sie ganz zu Boden ging. Er beeilte sich wieder Abstand zu dem Gefangenen zu gewinnen. Die Kapuze ließ er ihm vor der Brust hängen, da die eisernen Zähne an der Innenseite des Halsrings  sie vorne festhielten. Die plötzliche Stille im Raum machte das Rauschen der Bäume vor dem Fenster hörbar, während alle drei auf den Fremden starrten.

Hellbraune Haare verdeckten in Wellen das nach unten gerichtete Gesicht. Der Gefangene streckte und rollte die verspannten Schultern, soweit die auf den Rücken gebundenen Hände es erlaubten. Als man ihn mit Hilfe der Stangen vom Boden hoch zog, suchten seine nackten Füße einen festen Stand. Schwer atmend und mit gesenktem Kopf schien er abzuwarten, was geschehen würde; tatsächlich jedoch schielte er unter seiner Haarmähne heraus nach der Tür.

"Sieh dich nur um. Sieh, welch heiliger Boden deine verschmutzten Füße segnet. Und wessen Gnade dir zuteil wird, solltest du sie dir... verdienen." Vincenzo Grassi warf den beiden Wächtern einen belustigten Blick zu. Einen Moment später starrte er wieder auf den Gefangenen. Sein Ton wurde scharf. "Sieh mich an."

Nichts geschah. Schneller als man es ihm zutraute, legte der Kardinal die wenigen Schritte bis zu dem Mann zurück, griff ihm schmerzhaft in die langen Haare und riss ihm den Kopf in den Nacken. Man sah das getrocknete Blut in den schnaufend geweiteten Nasenlöchern. Sonst verzog der Gefangene keine Miene; die leicht geöffneten Lippen ließen erkennen, dass er die Zähne zusammen biss. Mit geschlossenen Augen schien er zu warten, dass sich die klauenartige Hand aus seinen Haaren löste.

Der Kardinal starrte ihm ins Gesicht, den Blick hart vor Wut, da ihm weder Ehrerbietung noch angemessener Respekt entgegen gebracht wurden. Eine Bewegung seiner Faust, die sich immer noch in die Haare krallte - und der Kopf des Mannes schoss nach vorne.

Er hielt den Gefangenen in dieser Position; er wusste, dass die Spitzen, mit denen der Halsring vorne versehen war, jetzt wieder gegen den Kehlkopf drückten und vielleicht sogar ins Fleisch eindrangen. Seine Wut darüber, dass der Mann diesmal keinen einzigen Schmerzenslaut von sich gab, ließ ihn im Affekt handeln. Mit dem Handrücken schlug er ihm unter das geneigte Gesicht. Als der Kardinalsring die Lippen traf, spritzte Blut auf den steinernen Boden. Vincenzo Grassi löste seine Faust aus den Haaren des Gefangenen und trat einen Schritt zurück. Seelenruhig wischte er sich die Hand und den Ärmel seiner Robe mit einem Tuch ab. Das tiefe Rot auf dem weißen Seidendamast schien ihn zu faszinieren; als er aufblickte, bemerkte er, dass der Gefangene ihn beobachtete.

"Sieh an. Da ist er ja endlich", äußerte der Kardinal in kühlem Ton und ignorierte den brennenden Blick, der ihm aus den dunklen Augen entgegen kam. Zu den Wachen gewandt fuhr er fort: "Er ist doch störrischer als ich dachte." Er seufzte, während er mit hartem Griff den Unterkiefer des Mannes erfasste. Er zwang das Gesicht zur Seite, begutachtete das Profil. "Wie jung du bist... Und du siehst nicht aus wie einer, der anderen das Leben nimmt. Aber das mag täuschen... Der Teufel kommt in schönen Gewändern! Je übler seine Absichten, desto einnehmender die Erscheinung. Wahre Gläubige blendet er damit nicht."

Er ließ ihn los und wandte sich ab. Nachdenklich verrieb er das Blut, in das er hinein gegriffen hatte, zwischen Daumen und Mittelfinger; er beobachtete, wie es trocknete. Einen langen Moment schien es, als hätte er den Gefangenen vergessen. "Wie ist dein Name", fragte er schließlich halblaut und in beiläufigem Ton, den Blick weiterhin auf seine Finger gerichtet.

Der jüngere Wächter trat nervös auf der Stelle herum;  er wollte etwas sagen, aber im letzten Moment hielt er sich zurück, als der Kardinal auf das Schweigen des Gefangenen reagierte.

"Kein Name? Auch gut. Das lässt sich herausfinden. Gebt ihm Wasser und Tücher, er soll sich waschen. Ich werde mit ihm speisen."

"Eure Eminenz... Der Zeuge wartet seit heute Morgen. Er lässt fragen, ob er gebraucht wird, er würde sonst gerne gehen."

"Ah ja, der Zeuge... Er wird sich hoffentlich nützlich erweisen! Die Aussagen der ungebildeten Leute sind selten verlässlich; es ist keine Freude, auf sie angewiesen zu sein. Wir werden sehen... Wir speisen zu dritt. Aber zuvor werde ich diesen Zeugen allein sprechen."

Während die Wachmänner sich hinter ihm verbeugten, durchquerte Vincenzo Grassi den weiten Raum. Er gab einem Diener, der einen der Türflügel für ihn öffnete, ein Zeichen mit der Hand. Bevor er unter dem Türrahmen weg trat, besann er sich und wandte sich noch einmal in den Raum zurück. "Ich möchte bei Tisch keine Fesseln sehen. Stellt vier Wachen auf." Mit einem letzten Blick auf den Gefangenen verließ er den Raum.

Ende Teil 134




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