Kapitel 1.8 - Aeryn

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"Du weißt, wer Du bist, woraus Du gemacht bist.
Töten und Jagen liegt Dir im Blut.
Kämpfe nicht dagegen an.
Du hast nicht für Dein Dorf getötet oder für deine Eltern.
Du hast für dich selbst getötet.
Gott kann das nicht ungeschehen machen.
Wir werden es dich schon lehren.
Wenn man Dich zwingt, 
ist Töten so einfach wie Atmen."


Töten ist einfach.
Auch wenn es wenige verstehen mochten – oder zum Glück verstehen mussten. Man konnte töten lernen wie Schreiben oder es Kindern beibringen, wie mit Messer und Gabel umzugehen. Anfangs war es natürlich wie bei allem anderen auch: Man zögerte, wand sich vielleicht, manche nahmen die Lehre besser, andere schwerer auf. Aber letztendlich... trennte sich die Spreu schnell vom Weizen: wer ungeeignet war, fiel früher oder später einfach den Verfluchten zum Opfer. Das Gesetz des Stärkeren. Nur wer stark war überlebte.

Die Jäger und Inquisitoren fingen 'klein' mit der Ausbildung an- im wahrsten Sinne des Wortes. Es begann mit dem Jagen von Kleintieren für die Verpflegung. Hasen, mit Glück noch Fasane oder andere Vogelarten. Das erste Mal töten zitterten die Hände so unkontrollierbar, dass sie die Klinge fast hatte fallen lassen. Wo sie das Messer aus Furcht und Todesangst unter dem Wolf so festgehalten hatte, dass ihre Knöchel weiß hervorgetreten waren, schien sie damals keine Kraft zu haben es zu halten. 

"Tu es schnell. Und tu es richtig."  hatte ihr Mentor bei den Inquisitoren sie angewiesen, als er ihre zitternde Hand schmerzvoll fest umfasste und die Klinge durch die Kehle des ersten Hasen zog. 

Sie erinnerte sich genau daran. Wie Fell sich rot tränkte, das warme Blut über ihre Finger quoll. Es war warm und sie hasste es so sehr. Den Geruch, das Gefühl. Sie erinnerte sich, wie Sehnen nachgaben, Fleisch riss, wie sie an Knochen stieß... Sie wollte nie töten. Sie hatte damals nicht mehr gewollt als zu überleben. Das war alles gewesen, was ihren Geist beherrscht hatte. Aber als die Klinge viel zu leicht, mit viel zu wenig Widerstand durch die kleine Kehle glitt, war ihr Verstand klar. Ihr Herzdröhnte in ihren Ohren und sie spürte die Übelkeit in ihrer Kehle aufsteigen. 


„Wenn du zögerst oder Fehler machst wird es leiden." hatte die tiefe Stimme gedröhnt. "Du hältst das Urteil über den Tod in deinen Händen. Schnell und schmerzlos... oder qualvoll und langsam!"


Man hatte sie nie gefragt ob sie es wollte. Von dem Augenblick an, als die silberne Klinge direkt in die Brust des Wolfes fuhr, hatte sie keine Wahl mehr gehabt. Getränkt in Blut, ihre Eltern verloren... fühlte sie sich als vieles. Aber sicher nicht als Retterin. Aber nachdem man sie mitgenommen hatte, sie ihrem Leben entrissen das bereits in Scherben lag und in dem es nur noch dieses Dreiergestirn gab... was blieb ihr? Alles war zusammengebrochen. Wenn sie weit fort war, weg von ihnen und dem Dorf, dann wären sie sicher(er). Daran musste sie glauben. An diese Hoffnung musste sie sich klammern. Und sonst konnte sie nicht mehr mit ihrem Leben anfangen, als ihrem Mentor zu gehorchen, der ihr nun Vater und die Inquisitoren ihr Familie ersetzten. Wo bisher ihre Zukunft als Ehefrau klar vor ihr gelegen hatte, wo es eher darum ging, welche gute Partie im Dorf sie vielleicht 'erwischen' könnte, änderten sich die Ansprüche. Die Erinnerungen, mit Henry grinsend zu scherzen, dass er das Beste war was sie erwischen konnte, oder ihre hochroten Wangen bei Kivan Pyle, dem Jägerssohn, verschwammen.

"Du willst doch ein gottgefälliges Mädchen sein... du willst doch gehorsam und brav sein...?"
Natürlich wollte sie das. Das wollte doch jeder... Oder nicht?


Es wurde leichter. Wenn sie daran dachte, dass sie beschützen wollte, zitterten ihre Hände nicht mehr so sehr. Der nächste Schritt... das Jagen mit Pfeil und Bogen. Füchse, Rehe... größeres Wild. Lauern und an einer Stelle ausharren, da Stellen von Fallen und das Festlegen des besten Köders. Da fiel das Töten schon leichter. Und dann... Gefährlicheres. Wildschweine, Wölfe und Bären. Töten und Jagen zur Übung. Nicht zum Spaß, aber als Lektion. Wie das wiederholen von Buchstaben auf einem Stück Papier... wieder, wieder, wieder. Inzwischen hasste sie die Farbe Rot, auch wenn sie es nie über ihre Lippen kommen ließ. Sie hasste es, wenn sie den metallischen Geruch wahrnahm und das Gefühl der Wärme, wenn es über ihre Hand floss. Aber es gab keinen Weg zurück. Und dann... schließlich... Menschen. Nein, nicht Menschen. SIE: Sünder, Hexen, Teufelsanbeter, Verfluchte.


Bei den Inquisitoren flossen diese Dinge oft schnell ineinander. Und während Schreie in der Nacht verklangen, das Feuer prasselte und sie mit zitternden Fingern das Blut von ihren Händen wusch, klang die Stimme wie ein Mantra in ihren Ohren. Die Stimme ihres Mentors und der anderen. All die Worte die von 'Zum Wohl der Menschheit' und 'Gottes Gefälligkeit' predigten. Die Stimme der Männer die sie benutzten. Erst als Köder, dann als Waffe. Der gleichen Männer, die von Reinheit, Keuschheit und Sünde sprachen, während sich ihre Blicke mit den Jahren immer weniger von denen der Bestien unterschieden. Nicht nur die Bestien waren Sünder, waren verdorben und verflucht. Auch Adam und Eva hatten damals immerhin von der Sündenfrucht gegessen, hatten sich schuldig gemacht, beschmutzt und der Fleischeslust hingegeben. Der Samen zur Sünde lag in ihnen allen.... auch in ihr. Sie war nicht so blind es nicht zu sehen- oder so verlogen und heuchlerisch es zu leugnen...


____________~+~____________
To capture a predator
You can't remain the prey
You have to become an equal
In every way
____________~+~____________
(1)


Und jetzt war sie wieder hier. All die Jahre hatte sie diesen Ort gemieden. Sie HÄTTE hierher zurückkommen können. Sie hätte statt zu den Roten Jägern hierher gehen können. Zum Schutz derer die sie so tief in sich vergraben hatte, dass es hoffentlich NIEMALS jemand fand. So tief sogar, dass jener Mann der ihr seit damals wohl am nächsten stand, sie vielleicht sogar neben Hawk am besten kannte, NICHTS von allem hier wusste. Nichts von Asta, deren Haar auch jetzt noch so schön lockig glänzte, dass sie die Finger ausstrecken und ihr das Haar flechten wollte. Nichts von Caiden, ihrem dummen aber herzensguten Bruder, den sie immer so geliebt hatte. Nichts von Henry, der mit ihr immer den Dorfbewohnern Empfindungen zwischen Fluchen und nachsichtigem Kopfschütteln entlockt hatte. Nichts von der echten Aeryn, die sie einst gewesen war... und die jetzt wie das Aufblitzen eines verschollenen Schatzes auf dem Meeresboden blinzelte, weil ein frecher Sonnenstrahl in die Tiefen vordrang...


Die Worte ihrer Freundin rissen sie zurück. Blinzelnd zog sie das schräge Lächeln wieder ein wenig mehr gerade. Sie war so... froh ihre Freundin wieder zu sehen, dass sie ihr das kleine Geschenk sogar übereifrig jetzt schon gab- als wie geplant erst später, wenn sie allein waren. Nun, verdammt... im Zweifel musste sie den anderen auftischen, dass es nur Tarnung gewesen war. Um das Band zu stärken? Argh. Nungut, das Kind war in den Brunnen gefallen... im Zweifel musste sie den Preis des Ärgers von Roman in Kauf nehmen.

Für den Moment aber grinste sie nur zufrieden auf das Armband an Astas Hand herunter, griff diese sachte, drehte sie hin und her und nickte in Mädchenhafter Zustimmung, ehe sie sich den ernsteren Themen zuwandte... der Beschwichtigung der brummigen Löwen in ihrem Nacken durch eine möglichst baldige warme Unterkunft und etwas in die hungrigen Mägen.

Schmunzelnd sah sie dabei zu, wie ihre Kindheitsfreundin mit der restlichen Bande von dannen zog... und nur Roman mit ihr zurückblieb.

„Sie ist nett.", brummte Roman in Aeryns Richtung, als sie sich in Bewegung setzten. „Wir brauchen mehr nette Leute, die sich hier besser auskennen als du." Dabei bedachte er die junge Frau mit einem forschenden Blick. Einmal mehr viel ihm auf, dass ihre Wangen in der Kälte einen rosigen Ton annahmen – fast schon eine untypische Reaktion auf die Schneeflocken, so als freuten sie sich ein vertrautes Gesicht bedecken zu dürfen. Doch es stand ihr, mit ihren blauen Himmelsaugen und dem hellen Haar. Oft schon hatte er gedacht, wie wenig Red doch nach dem aussah, was sie wirklich war. Für ihn war sie ein wunderschöner Todesengel, eine kleine Blume die giften und liebkosen konnte – alles auf die gleiche Weise.


„Ich vermute, dass nicht alle so nett sein werden..." murmelte sie leise. Seltsam, wie diese Bemerkung sie weniger beruhigte als in Unruhe versetzte, während der Schnee unter ihren Stiefeln knirschte. Blicke hafteten sich von den wenigen Seelen an sie, als sie über den Marktplatz schritten. Ah, diese dörfliche Neugier. Wenn niemals etwas großes geschah und sich plötzlich alles veränderte. 
„Man mag Fremde nicht sonderlich. Ist wohl kein Wunder wenn man seine Probleme lieber nicht nach außen dringen lassen will." Sinnierte sie. So war es doch immer oder? Die Dörfer wollten sich keine Blöße geben, die hohen Tiere dieses Nestes nicht schwach erscheinen... und doch brauchten sie nun einmal Hilfe. Fast hätte sie geseufzt als ihr klar wurde, das Fuchsbergen sich da kaum von allen andere unterschied. Die Mischung zwischen Misstrauen und Hoffnung, die in Blicken lag. Nur diesmal war eines anders... das hier war IHR Dorf. Ihre Heimat... und das machte zugleich alles vollkommen anders.


Sie hatte lange überlegt, ehe sie Roman das Schreiben zugetragen hatte. Sie hatte den aufgeregten Boten plappern hören und war schneller bei ihm gewesen, als die anderen Söldner in der Kaschemme in Wallheym, um ihm den Brief mit dem Gesuch um Hilfe, der eigentlich an das Anschlagbrett sollte, direkt aus den Fingern zu reißen. Aber sie hatte es nicht direkt weitergetragen. Fast drei Tage hatte sie sich in dem Bett gewälzt und hatte mit sich selbst gerungen. Nur um es am Ende ihrem Mentor doch schließlich am 3. Abend hin zu schieben, als die anderen sich gerade beim Glücksspiel oder sonst wo den Abend vertrieben.

„Fuchsbergen war mein Zuhause. Mein Bruder lebt dort." Hatte sie das ausgesprochen, was ihr wie ein eiternder Dorn voller Sorge im Magen saß, auch wenn sie versuchte es nicht zu zeigen. Sie hätte zusehen können, wie andere Jäger dorthin gingen. Aber sie wusste... nein... sie vertraute Roman und ihren Leuten einfach mehr.

In den Jahren in denen sie nun Jägerin war, also in vier Jahren, war Roman ihr Vorbild, Ausbilder, Lehrmeister, Mentor... einfach alles gewesen. Sie wollte ihn immer stolz machen. Besser sein als die anderen, damit er zufrieden mit ihr war. Ein Lächeln oder mal ein Lachen von ihm zu hören... dafür hätte sie jedem Gegner die Nase gebrochen. Diese Truppe, zumindest ein Teil davon... war ihre neue Familie. Sie vertraute ihnen ihr Leben an. Und nun... würde sie ihnen das Leben anvertrauten, das zu schützen sie diesen blutigen Weg überhaupt bestritten hatte. Wenn du willst, dass etwas richtig gemacht wird, erledige es selbst.
Vielleicht war ihr Blick deshalb so unterschwellig flehend gewesen.

Und es war hart wie erwartet. Weil ihre Vergangenheit plötzlich mit voller Wucht auf ihre Gegenwart krachte... und sie nicht wusste, wie gut die Stützpfeiler halten würden.




(1) Songlyrik: Karliene - Become the Beast

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