7 - Muzedinische Teezeremonie

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"Sanftmut ist die Kraft des Überlegenen, Zorn die Stärke des Unsinnigen"

✶✶✶

Das Geräusch von klapperndem Geschirr drang zu mir ins Zelt, während ich noch immer am selben Ort stand, an welchem mich Zahir und Luay zurückgelassen hatten. Ich blickte ins Leere.

Ein Muzedin bietet seine Hand an, wenn er gebraucht wird. Die Worte rangen in meinen Ohren.

Das konnte schlicht nicht sein! Die Muzedin wanderten längst nicht mehr auf dieser Erde. Der Letzte starb vor hunderten von Sternzyklen. Ich schüttelte den Kopf. Zahir wollte mich bestimmt in die Irre führen. War das ein böser Trick, seine Taktik, um mich zu verunsichern? Waren sie vielleicht doch nicht die freundlichen Kerle, für welche sie sich ausgaben?

Ich war zu erschöpft, um klar denken zu können.

Das Tuch zum Zelt wurde zur Seite geschoben und Luay kam zum Vorschein. Er brachte eine goldene Waschschüssel mit einer Kanne und stellte sie auf die Holztruhe. Wegen des vielen Goldes klappte mein Mund auf.

Luay hielt ein weisses Tuch in seinen Händen, faltete es und legte es an den Rand der Schüssel.

„Das ist zum Waschen gedacht und nicht zum Trinken", murmelte er. „Wir haben Wüstenliliensaft beigefügt. Es ist gut für deine Wunden."

Mein Blick fiel auf mein Knie und die tiefe Schürfung darauf.

„Vielen Dank", hauchte ich.

Luay vergrub eine Hand in eine Seitetasche und holte einen weissen, länglichen Gegenstand hervor. Einen Kamm aus Elfenbein. Er streckte ihn mir hin und deutete damit auf meinen Schopf.

„Wenn du nicht möchtest, dass man dir die Haare schert ...", erklärte er.

Meine Finger fuhren durch meine Strähnen. Erschrocken sog ich die Luft ein. Mein schwarzes, brustlanges Haar war trocken wie Stroh, verwuschelt und verknotet.

Wortlos nahm ich den Kamm und murmelte meinen Dank, da reichte er mir ein handgrosses Glasfläschchen, in welchem eine trübe, dickflüssige Tinktur herumschwappte.

Meinen fragenden Blick beantwortete er mit: „Arganöl für die Vogelscheuche".

Ich musste ihn ziemlich empört angeschaut haben, denn er lachte auf und machte eine nickende Bewegung zu dem Nachttischchen, welches ich neben seinem Bett gar nicht gesehen hatte. Ein Handspiegel lag darauf. An seinem Griff waren Korallen, Perlen und Edelsteine eingearbeitet. Ich schnappte mir das Ding und richtete den Blick auf mein Ebenbild. Vor Schreck wäre mir der Spiegel beinahe aus den Händen gefallen.

Ich sah furchtbar aus.

„Sag ich doch", meinte Luay bloss lächelnd. Er hatte wirklich ein schönes Lächeln, musste ich feststellen. „Wenn du was brauchst, wir sind draussen."

„Danke", murmelte ich mittlerweile zum dritten Mal.

„Nichts zu danken."

Als ich wieder alleine im Zelt war, erhob ich mich und löste meinen gezackten Taillengurt. Es würde ein enormer Kraftakt werden, mich in diesem Zustand umzuziehen. Ich biss die Zähne zusammen und hob das nachthimmelblaue Gewand über meinen Kopf. Sand rieselte auf den Boden. Ich wischte ihn mit dem Fuss zu einem kleinen Haufen zusammen, dann hob ich den schwarzen Unterrock — oder das, was davon noch übrig war — hoch und inspizierte meine Beine.

Die schlimmste Wunde befand sich über meinem linken Knie. Seufzend nahm ich das Tuch von der goldenen Waschschale und tunkte es ins Wasser. Es war angenehm kühl. Mit vorsichtigen Tupfern säuberte ich meine Verletzungen von Sand und Dreck, schrubbte meine Beine und Arme und reinigte meine Fingernägel. Danach zog ich mich komplett aus und wusch meine Achseln, meinen Nacken und meinen Rücken — so gut es ging.

Ich wollte nicht allzu lange nackt im Zelt stehen, für den Fall, dass einer dieser zwei Männer einfach so hereinplatzen könnte. Ein Gefühl sagte mir allerdings, dass sie das nicht tun würden. Sie schienen mir genügend Anstand zu besitzen.

Zum Glück.

Nachdem ich mit der Reinigung meines Körpers fertig war, widmete ich mich dem Bändigen der Haare. Meine Kopfhaut brannte vom Ziehen und Rupfen, das ich mir antun musste, um die hartnäckigen Knoten zu lösen. Dank des Arganöls klappte es mit der Zeit besser.

Ich arbeitete so lange an meiner Haarpracht, bis sich der Kamm ohne Probleme durch meine Strähnen ziehen liess. Wie es mir Sitty gezeigt hatte, band ich meine Haare zu einem Zopf zusammen und schnürte das Ende mit einem Stück abgerissenen Stoffs meines alten Kleides zusammen.

Gewaschen und gekämmt, nahm ich das Kleid, welches Zahir mir gegeben hatte, zwischen meine Finger und erschrak über seine Weichheit.

Es war Seide.

Ein edler Stoff, wie ich ihn noch nie in meinen Händen gehalten hatte. Samt und Seide hatte ich immer bloss aus der Ferne gesehen, an den Stoff- und Teppichmärkten von Kesh, welche ich manchmal mit meiner Grossmutter durchstöbert hatte. Die Händler hatten mir immer auf die Hände gehauen, wenn ich meine Finger über die Fasern gleiten lassen wollte. Nun sollte ich einen solch teuren Stoff an meinem Körper tragen.

Eine Kasbahrin in Seide gekleidet. Das war so selten wie ein Regenbogen in der Wüste.

Ich schlüpfte in das Kleid, das offenbar in drei separaten Teilen getragen werden musste. Der Rock reichte mir nur bis zur Taille, und streifte den Boden. Diese Hana'a musste etwa gleich gross sein wie ich. Ich studierte das Oberteil und fand schliesslich die Ärmel. Etwas umständlich zwängte ich mich hinein und realisierte dann mit Entsetzen, dass ein Stück meines Bauches freilag.

Das konnte doch nicht deren Ernst sein!

Meine Arme wanderten automatisch an die exponierten Stellen direkt über meiner Taille und unter meinen Brüsten, um sie zu verdecken. Ich verstand nun, was Zahir gemeint hatte. Das war kein Reisegewand, sondern ein Festkleid.

Seufzend hob ich den letzten Stoff auf, den er mir zur Seite gelegt hatte. Ein durchscheinendes, dunkelgrünes Schleiertuch, welches an den Rändern mit schnörkeligen Goldfäden verziert war. Es war kein Gesichtstuch, sondern nur ein Schleier, den ich zwar über meinen Scheitel legen konnte, aber mein Gesicht nicht verbarg.

Das war definitiv keine kasbahrisches Tracht. Unsere Festkleidung war weitaus sittlicher als diese Streifen Stoff.

Ich zögerte und für einen kurzen Augenblick überlegte ich mir, ein ordentliches Kopftuch mit Gesichtsschleier aus meinem alten Kleid zu basteln, nur um mich besser zu verdecken, doch am Ende liess ich es sein.

Zahir hatte mich entschuldigend angeblickt, als er mir das Kleid gereicht hatte. Ich sollte ihnen für die Mühe, mir ein Ersatzkleid zu organisieren, dankbar sein und sie dafür nicht schelten. Es war das Einzige, was sie mir hatten geben können.

✶✶✶

Als ich in die Kälte der Nacht trat, verschlug es mir den Atem.

Windlichter zu meiner linken und rechten Seite wiesen mich geradewegs zu einem Sitzplatz. Ein runder Teppich in dunkelroter Farbe lag dort im Sand ausgebreitet, mit etlichen Kissen ausstaffiert. Fackeln stachen aus dem Boden und zitterten im Wüstenwind.

Ich kam näher und erblickte fünf grosse Silbertablette, die auf dem Teppich platziert worden waren. Auf einem stapelten sich frische Pfirsiche, Äpfel, Bananen und Maulbeeren. Daneben, in kleinen Schälchen, sah ich Pistazien und Mandeln. Auf den anderen Tabletten, in farbigen Schüsseln verteilt, erspähte ich dampfende Lammkeulen, eine Menge Safranreis, gefüllte Weinblätter, Humus und Moussaka. Der Geruch von Fladenbrot wehte mir entgegen, weswegen mir beinahe die Tränen kamen.

Das hier war ein Festmahl!

Luay und Zahir sassen im Schneidersitz bereits am Boden auf ihren Kissen und schlürften eine Tasse Tee. Sie erhoben sich sofort, als sie mich erblickten.

„Das ist ..." Ich wusste nicht, wie ich dieses wundervoll hergerichtete Abendmahl in Worte fassen konnte.

„Wie habt ihr das ohne Bedienstete geschafft?", war alles, was ich fragen konnte. Wir waren bloss zu dritt und das alles so aufzustellen, hätte die beiden einiges an Zeit gekostet.

„Ein bisschen Händeschnippen, ein bisschen Magie", sagte Zahir schulterzuckend und deutete schliesslich mit der Hand auf den Platz zwischen ihm und seinem Bruder. „Bitte. Setz dich zu uns."

Keine Ahnung, weshalb, aber mein Herz flatterte bei der Vorstellung, zwischen zwei Männern zu sitzen und ganz alleine ein Abendessen mit ihnen zu verspeisen — zu geniessen. Das hier war ein wahrgewordener Traum eines Hungernden. Ich schlang den Stoff meines transparenten Kopftuches enger um mich und blieb stehen.

„Wir beissen nicht", fügte Zahir hinzu, als hätte er meine Unsicherheit gespürt.

„Ich ... ich bin überwältigt", brachte ich hervor, als ich mich endlich traute, einen weiteren Schritt auf sie zuzugehen.

Die Luft roch nach Gewürzen und gebratenem Fleisch, sodass der letzte Speichel, den meinen Körper produzieren konnte, sich in meinem Mund ansammelte. Die Männer liessen sich erst wieder nieder, als ich mich auf die Knie setzte und das ganze Abendmahl mit gierigen Augen aufnahm.

„Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Essen auf einmal gesehen", hauchte ich. „Erwartet ihr noch Gäste?"

Ich hob den Blick und nahm allen Mut zusammen, um den beiden Herren in die Augen zu blicken. Wie ich richtig schlussfolgert hatte, schien es sie nicht zu stören. Ein weiterer Beleg dafür, dass sie keine Wüstennomaden sein konnten, denn ein echter Kasbahre hätte mich für einen flüchtigen Blickkontakt längst in die Schranken gewiesen.

Luay schüttelte den Kopf.

„Keine Gäste. Nur wir drei." Er lächelte schon wieder so freundlich. „Dein Magen hat gebrüllt", meinte er und deutete mit einem Kopfnicken auf die vollen Schüsseln. „Das hier ist unsere Antwort darauf."

Das Schleiertuch fiel mir auf die Schultern, denn ich konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass mich Zahir von der Seite musterte.

„Du siehst aus wie ein Mensch", fand er.

Luay legte den Kopf schief. „War das ein Kompliment, mein Bruder?"

„Ich denke schon", gestand Zahir und ich errötete augenblicklich.

Die Hitze stieg bis in meine Ohren. Beim letzten Sultan! Musste der mich so offensichtlich beäugen und das dann auch noch hemmungslos zugeben!

„Ein sehr Erbärmliches." Luay lachte auf und zeigte seine schönen Zähne, während ich vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre.

„Du musst entschuldigen", meinte Luay nun an mich gerichtet. „Mein Bruder ist im Umgang mit Frauen etwas ... unbedarft. Er muss das noch üben."

Zahir schnalzte daraufhin bloss mit der Zunge und machte eine vulgäre Geste in die Richtung seines Bruders. Ich runzelte die Stirn.

„Ist das also der Grund, weshalb ihr eure Frauen wie die Liebesdienerinnen des letzten Sultans kleidet?", fragte ich, ohne darüber nachzudenken. „Damit die Männer das Zügeln ihrer lüsternen Blicke üben können?"

Luay blinzelte mich perplex an, dann warf Zahir den Kopf in den Nacken und liess ein solch kehliges Lachen hören, dass ich beinahe mit eingestimmt wäre. Er lachte los. Laut und unbeschwert und nur der Stoff vor seinem Gesicht dämpfte den Klang seiner Stimmbänder.

„Eine scharfzüngige Dame haben wir da aufgelesen!", sagte er noch immer lachend und steckte Luay damit an.

Die zwei Brüder amüsierten sich offenbar köstlich. Ich war einfach nur dankbar, dass sie meinen harschen Seitenhieb mit Humor nahmen und ermahnte mich innerlich, meine Zunge zu zügeln. Die Erschöpfung musste sie gelockert haben. Normalerweise traute ich mich nicht, so mit Männern zu sprechen.

„Fragt sich jetzt bloss, wie dieser bissige Wüstenfuchs heisst."

Erst, als Luay das sagte, realisierte ich, dass ich mich ihnen überhaupt nicht vorgestellt hatte.

„Unsere Namen kennst du ja bereits", fuhr Luay fort und hielt sich die Hand auf die Brust. „Luay Tall-Qubar, Sohn des ..."

Es schien fast so, als wolle er noch etwas anfügen, doch Zahir warf ihm einen strengen Blick zu, was ihn innehalten liess. Das war mir nicht entgangen. Dann deutete er auf seinen Bruder.

„Und mein älterer Bruder, Zahir Tall-Qubar."

Dieser nickte wie zum Gruss. Seine goldenen Augen hielten mich fest in ihrem Griff und ich musste mir erst die Lippen benetzen, ehe ich sprechen konnte. Ich würde ihnen meinen Namen nicht verheimlichen. Nicht, wenn sie mir ihre Gastfreundschaft schenkten. Das gehörte sich nicht.

„Najmah Beduni."

„Hm", stiess Zahir aus, „wie passend."

„Schön, dich heute hier zu haben, Najmah", brummte Luay und griff zur Teekanne, die vor ihm auf einem Silbertablett stand.

Seine Hände bewegten sich geschickt, während er drei Gläser mit dem dunklen Getränk füllte. Der heisse Dampf stieg in die Nachtluft.

Wasser!

Endlich würde ich etwas trinken können. Mein ganzer Körper zehrte sich so sehr nach diesem Glas, dass ich aufpassen musste, es nicht zu verschütten, als Luay es mir reichte. Er und Zahir hielten ihre Gläser am oberen Rand zwischen Daumen und Zeigefinger fest und streckten sie in die Luft.

„Auf interessante Begegnungen mitten in der Wüste", sagte Luay.

Darauf nahmen wir alle einen Schluck von dem heissen Getränk. Sobald die Flüssigkeit meine Kehle berührte, stürzte ich den ganzen Inhalt in meinen Mund und schluckte gierig. Selbst wenn der Tee bitter und siedend heiss war, es war mir einerlei.

Ich hatte solch schrecklichen Durst.

Zahir zog eine Augenbraue in die Höhe und führte sein Glas unter sein Tuch, sodass er trinken konnte, ohne dass ich seinen Mund sah. Luay schenkte mir gleich nochmal nach. Ich bemerkte, dass sie mich beobachteten und so trank ich dieses Mal langsamer.

Ich wollte mir ja nicht den ganzen Mund verbrühen, wenn ich noch all das leckere Essen vor mir hatte, das ich schmecken wollte, aber ich musste so viel Flüssigkeit in meinen Körper kriegen, wie es nur möglich war. Ich spürte, wie mein Leib nach mehr schrie.

So leerte ich den Tee ein zweites Mal und streckte das Glas Luay gleich nochmal hin. Ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. Er goss den Tee ein drittes Mal ein.

Auch dieses Glas leerte ich in Windeseile.

Wir schwiegen, als wir zu essen begannen. Die gewaltige Selbstbeherrschung, die ich aufbringen musste, um mich nicht gleich über das Essen herzumachen, wie über den Tee, kostete so viel Kraft. Jedoch genoss ich jeden Moment, als die süssen Früchte meinen Gaumen küssten und ich in die saftigen Lammkeulen biss, die wie Butter auf meiner Zunge schmolzen.

Eine angenehme Stille legte sich über uns und es schien, dass wir alle froh darum waren. Wir waren hungrig — ich von allen am meisten. Nach kurzer Zeit schmerzte mein Magen jedoch und ich musste eine Pause einlegen.

„Wie hast du dich eigentlich verwundet?"

Die Frage kam von Luay. Ich versteifte mich. Warum mussten die beiden auch so neugierig sein?

„Ich bin vom Kamel gefallen und dann—", ratterte ich dieselbe Antwort herunter, die ich bereits Zahir gegeben hatte, doch dieser unterbrach mich.

„Das an deinem Kinn ist eine Schnittwunde", korrigierte er mich. „Deine Beine, Arme und Rippen — vielleicht war das tatsächlich von einem unglücklichen Sturz."

Er hielt ein Messer in der Hand und tippte sich mit der Spitze an die Stelle seines Turbans, wo ich sein Kinn vermutete.

„Aber das wurde von einem Säbel verursacht."

Meine Hand wanderte an meine Verletzung. Zahir musste mich wirklich genau gemustert haben, dass er sich an alle Körperstellen erinnerte, die Schürfwunden aufwiesen. Galt sein intensiver Blick davor im Zelt nur der Prüfung meiner Blessuren? Es hatte sich angefühlt, als sähe er durch mich durch, als würde er längst die Wahrheit kennen und nur darauf warten, bis ich sie ausspuckte.

Ich senkte den Blick und schluckte schwer.

Die Wahrheit war so unmöglich, dass ich sie nicht aussprechen konnte. Es musste eine Erklärung für das geben, was mir passiert war, doch ich war noch nicht bereit, dieses Geheimnis mit irgendjemandem zu teilen. Sie würden mich als verrückt abstempeln, wenn ich es täte.

„Wir sind Krieger, Najmah." Luays Stimme war etwas sanfter als jene seines Bruders. „Wir erkennen Schnittwunden von Weitem."

Ich rutschte auf meinem Kissen hin und her und wand mich unter ihren forschenden Blicken.

„Wer hat das getan?", bohrte Zahir weiter.

„I-Ich sagte doch, es war eine beschwerliche Reise. Es ist eine wirklich lange Geschichte und—"

„Wer?"

Die Autorität in Zahirs Stimme liess es nicht zu, dass ich ihm seine Frage nicht beantwortete. Das Funkeln in seinen Augen war von einer rauen Heftigkeit. Ich seufzte ergeben und legte meine Hände in den Schoss.

„Kasbahrische Händler."

Meine Stimme war bloss ein Hauchen. Ich meinte zu hören, wie Zahir wütend die Luft aus seinen Lungen stiess.

„Du meinst die Casbari?"

Luay hatte sich etwas zur Seite gelehnt, auf der Suche nach Bestätigung und meinem Blickkontakt. Es wunderte mich, dass er diese uralte Bezeichnung unseres Stammes verwendete. Ich schaffte es allerdings knapp zu nicken.

„Ich wusste es", knurrte er sodann. „Dieses Volk war schon immer hinterhältig."

Nun schoss mein Kopf wieder in die Höhe.

„Das stimmt nicht", widersprach ich ihm. „Ich bin selbst eine Kasbahrin. Wir sind nicht hinterhältig! Mein Volk will einfach nur in Frieden leben. Wir sind Nomaden, die ihr Vieh halten wollen und sich in der Wüste zuhause fühlen. Es sind die Händler, die ..."

Ich suchte nach den richtigen Worten, um zu beschreiben, wie sich diese Menschen von dem Nomadenleben abgewendet hatten. Dass sie vom richtigen Weg abgekommen waren. Für Geld und Gier.

„Sie entehren unser bescheidenes Volk." Das war alles, was ich dazu noch sagen konnte.

Beim Gedanken an den Kamelführer und wie er ohne Gewissensbisse den Säbel gezogen hatte, um mein Leben zu beenden, um eine Angehörige seines Stammes von dieser Erde zu rauben, jagte mir ein Schauder über den Rücken, sodass mein ganzer Körper bebte. Ich war nur knapp mit dem Leben davongekommen. Alleine diese Tatsache liess mein Herz wild in meiner Brust schlagen.

Zahir lehnte sich vor und nahm die Teekanne, welche vor Luays Füssen lag und goss uns allen Tee nach.

„Du brauchst dich nicht vor diesen Banditen fürchten", sagte er an mich gerichtet und reichte mir mein Glas, was ich ihm vorsichtig abnahm. Dabei streiften sich unsere Finger flüchtig. „Sollten sie hier auftauchen, werden wir für dich einstehen."

Ich blinzelte ihn an.

„Du stehst fortan unter dem Schutz der Muzedin", fuhr er fort und lehnte sich zurück.

„Ich verstehe nicht..." Verwirrt blickte ich zu Luay, der bestätigend nickte.

„Du hast vom stärksten muzedinischen Tee getrunken, den es auf diesem Kontinent gibt", sagte dieser.

Ich zuckte mit den Schultern. Nur weil ich Durst hatte, musste sie das nicht zu solch halsbrecherischen Schwüren nötigen.

„Na und?"

„Das verpflichtet uns, dein Leben zu schützen", erklärte Zahir.

Ich blickte von einem Bruder zum anderen. Es lag keinerlei Witz in ihrem Ausdruck.

Waren sie wirklich echte Muzedin? Allmählich begann ich an meinem eigenen Wissen zu zweifeln. Man hatte mir gesagt, dieser Stamm existiere nicht mehr. Ich hatte es sogar selbst gelesen! In den Büchern aus der Bibliothek in Kesh. Waren diese schriftlichen Quellen veraltet und berichteten deswegen nicht von unbekannten Nachfahren der blauen Kämpfer? Hatte man mir absichtlich ihre Existenz verschwiegen?

Die Gedanken ratterten in meinem Kopf. Ich erinnerte mich daran, was ich von diesem Stammesvolk gelesen hatte. Die Muzedin waren bekannt dafür gewesen, edelmütige Treue- und Schutzeide über ihre Teezeremonien zu schwören. Sass ich gerade inmitten eines solchen Rituals?

„Ist das eine dieser merkwürdigen Traditionen?", wollte ich wissen, um meine Annahme zu bestätigen.

Luay lachte, sodass seine weissen Zähne im Schein der Fackeln hervorblitzten.

„Wenn du es als das bezeichnen möchtest — ja", antwortete er. „Unser Tee verträgt nicht jeder. Damit erkennen wir jene, die unseres Schutzes würdig sind." Er grinste breit. „Und du, Najmah, bist es allemal."

Der Unglaube musste mir übers ganze Gesicht geschrieben sein. Zahir streckte die Hand aus.

„Manche haben nicht mal eine Tasse geschafft", meinte er und tippte mit der Fingerspitze auf mein Teeglas, das ich noch immer in meiner Hand hielt. „Du hast gleich drei davon gesoffen, als sei es frisches Quellwasser."

Mein Blick fiel auf die tiefbraune Brühe in meinem Glas. Ehrlicherweise fand ich den bitteren Tee richtig lecker. Ich wusste nicht, ob das wirklich einer versteckten Stärke meinerseits zuzuschreiben war, oder, ob es einfach meinem ausgezehrten Zustand geschuldet war.

„Du wolltest nach Jaradina, stimmt's?", wollte Luay wissen.

Ich nickte. Unfähig, ein Wort zu sagen, denn ich war einfach nur sprachlos.

„Dann werden wir dich begleiten."

Luays Worte klangen wie ein Urteilsspruch, dessen Tragweite es nicht mehr zu hinterfragen galt. Offenbar war es beschlossene Sache.

Ich musste zugeben, dass ich mich mit Sicherheit nicht dagegen wehren würde. Von zwei vermeintlich blauen Kämpfern durch die Wüste eskortiert zu werden? Das würde selbst den furchtlosesten Banditen in die Flucht schlagen.

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Randbemerkungen:

Hoffentlich geht es euch allen gut. 

Wenn nicht: Trinkt eine Tasse Tee. Tee hilft. Meistens.

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