-~12~- Halten Sie bloß durch, Sherlock Holmes

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Es wäre eine Lüge gewesen, wenn ich behauptet hätte, dass es leicht gewesen war, an diesem Morgen aufzustehen. Bevor ich eingeschlafen war hatte ich noch lange über die letzten Stunden nachgedacht und letztendlich nur noch weniger als drei Stunden Schlaf bekommen.

Ich hatte Kopfschmerzen und mein Frühstück bestand aus einer Tablette dagegen und etwas Wasser. Danach fuhr ich zu Ascot.

Noch im Auto rief ich den Abdecker an, doch er erklärte mir, dass er Vision nicht vor Freitag abtransportieren konnte.

Entnervt suchte ich Jakes Büro auf, gleich nachdem ich auf der Anlage angekommen war und bat ihn darum, eine große Menge Stroh und eine Abdeckung zu besorgen.

Nein, ich war ganz bestimmt kein Morgenmensch. Besonders nicht nach dieser Nacht.

Wir brauchten etwa eine halbe Stunde, um Visions Körper zu bedecken und ich hoffte inständig, dass uns niemand auf den großen Strohhaufen in der letzten Box ansprechen würde. Es war zwar keine Führung über die Anlage geplant, aber trotzdem war heute der Zugang zu den Ställen für die Gäste geöffnet. Ein nicht geringes Risiko, wenn man bedachte, dass der Täter unter ihnen sein könnte.

Ich musste die Geschäftsleitung über den Todesfall berichten und wurde dafür mit Papierkram überschüttet.

Etwa nach fünf Stunden Vorbereitung des Festsaal, Beruhigen wütender Demonstranten, unzähligen Telefonaten mit den verschiedensten Menschen von der Versicherung und der Geschäftsleitung und noch mehr Problemen mit dem Catering kam John vorbei, um sich die Videos der Überwachungskameras anzusehen. Mr. Holmes hatte sich nicht bequemt hier her zu kommen und hatte die Videos, laut Johns Aussage, als ,,Zeitverschwendung" bezeichnet, deshalb hatte er seinen Freund hier her geschickt und würde erst später, zur Gala hier auftauchen.

,,Sie sehen nicht gut aus", stellte John fest, als ich ihn in mein Büro geleitete.
,,Danke, so fühle ich mich auch", erwiderte ich müde und fuhr mir mit einer Hand durch meine offenen Haare.
,,Gab es noch viele Probleme mit..." Er stockte, doch ich wusste, was er meinte.
,,Ja, nein... Ich habe es schon hinbekommen", erwiderte ich.
,,Toll. Wann kommen die Gäste?", wollte er wissen.
,,In ungefähr zwei Stunden."

Ich gewehrte ihm Zugriff auf meinen Computer und die Aufnahmen der Überwachungskameras und verließ dann das Büro wieder, um mit den Vorbereitungen fortzufahren.

______

Etwa drei Stunden später waren alle Gäste da. Ich hatte bereits die Eröffnungsrede gehalten, die Sicherheitshinweise wiederholt und anschließend an meinen Geschäftsführer das Wort übergeben.

Ich sah mich etwas unter den Gästen um. Bis jetzt hatten noch alle etwas zu Trinken und es hatte sich keiner über den merkwürdigen Strohberg in den Ställen gewundert. Der Aufenthaltsraum war in dezentem Dunkelblau geschmückt, mit Tischdeko und Gestecken und an der Wand hingen perlnachtblaue Banner mit dem goldenen Logo von Ascot.

Ich erkannte in einer Entfernung einen großgewachsenen Mann. Er war auffällig, durch den schwarzen Schirm, den er in einer Hand hielt, obwohl wir in einem Raum mit offensichtlicher Überdachung waren, es in letzter Zeit nicht geregnet hatte und auch nicht regnen sollte. Er trug einen grauen Anzug, hatte eine ausgezeichnete Haltung und mich offenbar schon bemerkt, bevor ich es bei ihm getan hatte.
Ich nahm von der Theke zwei Sektgläser und ging auf ihn zu.

,,Mr. Holmes, der ältere, nehme ich an", begrüßte ich ihn lächelnd.
,,Richtig. Mycroft reicht aber aus, da Sie in den letzten Tagen nicht unbemerkenswert viel Zeit mit meinem Bruder verbracht haben."
Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch.
,,Dann bitte Liv", erwiderte ich dann.
,,Er hatte Sie erwähnt, doch ich kann mich nicht daran erinnern, dass er erzählt hatte, dass Sie hier auftauchen würden", sagte ich lächelnd und bot ihm eines der Sektgläser an, die ich in den Händen hielt.

Er nahm es entgegen und nickte mir anerkennend zu. Man konnte sich wohl darüber streiten, ob er seinem Bruder ähnlich sah, doch er hatte dieselbe kühle, berechnende Arroganz, die ihn umgab. Und auch die unverkennbare Eleganz in seinen Bewegungen verband ihn mit ihm. Trotzdem ging von ihm noch etwas anderes aus. Er war nicht so zerstreut und wusste wohin, mit seiner Intelligenz. Er war verantwortungsbewusst und scheinbar auch sorgsam, sonst wäre er wohl kaum auf dieser Veranstaltung aufgetaucht - nur für seinen Bruder.

,,Nun, er war nicht gerade davon angetan, als ich ihm die frohe Kunde überbracht habe", erklärte er mir, während er seinen Blick musternd über mich schob.
Ich nickte verstehend und lächelte, während ich seine Deduktion einfach über mich ergehen ließ. Ich hoffte, dass man mir meine Verwunderung nicht all zu offensichtlich ansehen konnte, als ich den zufrieden wissenden Blick sah, der sich plötzlich auf seinem Gesicht abzeichnete.

,,Sie haben mich erkannt", stellte er selbstsicher fest.
Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch und nahm einen Schluck von dem Sekt. Er war widerlich, wenn ich ehrlich war.
,,Deswegen sind Sie doch erst zu mir gekommen. Sie haben mich erkannt", führte er weiter aus.
,,Ja... Familienfotos an der Wand...", erwiderte ich.
Seine Mundwinkel erhoben sich zu einem schmalen Lächeln. ,,Bei Sherlock? Wohl kaum."
,,Ich habe es versucht. Tut mir leid", erwiderte ich und zog die Schultern entschuldigend hoch. Offenbar war die Verbindung der beiden Brüder doch stärker, als ich vermutet hatte, wenn Mycroft jedes Detail der Wohnung in der 221B oder zumindest seinen Bruder so gut kannte. Doch er hatte meine Taktik der Informationengewinnung offensichtlich schon durchschaut und musterte mich jetzt mit diesem unerklärlichen Blick, den auch sein Bruder immer aufsetzte, wenn er nicht gesehen werden wollte. ,,John hat mir ein Foto von Ihnen auf dem Handy gezeigt, als wir zusammen in meinem Büro waren. Er wusste nicht, dass Sie kommen", erklärte ich.
,,Nein, das wusste er nicht. Genau wie er und mein Bruder bis vor dreizehn Stunden noch nichts von Glorious Visions mysteriösem Dahingehen wussten. Geschweige denn von dem Tier selbst und seiner Besitzerin."
Ich starrte ihn kurzzeitig an, bevor ich mich wieder fing und den Kopf senkte.
,,Oh keine Sorge. Ich werde der letzte sein, der diese Information an die Öffentlichkeit bringt", sagte er dann.
,,Ich hatte nichts damit zu tun", erwiderte ich leise.
,,Ich weiß", antwortete er fast erhaben.

Ich hatte das dringende Bedürfnis das Thema zu wechseln.

,,Ich würde Sie gerne etwas fragen. Etwas, was ich Ihren Bruder nicht fragen kann."
Interessiert sah er mich an und nahm einen Schluck aus dem Sektglas. Er verzog keine Mine. ,,Bitte, nur zu."

Ich zögerte. Es war eine Frage, die ich mir schon lange stellte. Schon seit ich Johns Blogeintrag und alle Zeitungsartikel darüber gelesen hatte.

,,Sie müssen mir versprechen, dass Sie mir antworten - ehrlich, ohne Lügen", bat ich ihn und er schien einen Bruchteil einer Sekunde darüber nachzudenken, bevor er, entgegen meiner Erwartung, nickte.
Ich nahm selbst einen Schluck aus meinem Sektglas und atmete dann tief ein.

,,Wie hat er den Sprung von dem Dach des St. Bartholomew's Hospital überlebt und was ist danach passiert?"
Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem kurzen Schmunzeln. Es war kein echtes Lächeln, viel mehr ein Belächeln - vielleicht auch wegen der Erinnerungen, die ihm in diesem Moment zu kommen schienen oder weil er wusste, dass ich diese Frage stellen würde.
,,Das ist eine lange Geschichte und nichts, was wir hier besprechen sollten." Er deutete auf die Menschen, die um uns herum standen.
,,Lassen Sie uns doch in Ihr Büro gehen", schlug er dann vor.

Wir stellten unsere Sektgläser ab und ich geleitete ihn in mein Büro, das eine Etage tiefer lag.

John war zu meiner Verwunderung verschwunden.

______

Mycroft lehnte sich gegen meinen Schreibtisch und sah mich abwartend an, wobei er sein Kinn leicht angehoben hatte und in seiner üblichen Überlegenheit zu mir hinabschielte.
Ich verschloss die Tür hinter mir und sah ihn dann unverwandt an.
Zu neugierig, ermahnte ich mich selbst, doch meine Prinzipien waren mir wieder mal egal - vielleicht zu oft in letzter Zeit.

,,Ich glaube zu wissen, worüber Sie sich gerade grämen, aber ich kann Ihnen sagen, es ist nicht verwunderlich einen Drang zur Neugierde zu besitzen, wenn mein Bruder Ihnen seinen anziehenden Strudel aus Geheimnissen und an seinem Grund das Versprechen auf die Lösungen gezeigt hat."

Sein Verstand war gleichermaßen faszinierend, wie der seines Bruders, vielleicht sogar noch etwas interessanter. Er hatte Struktur, Ordnung und war in völliger Kontrolle.
Doch ich war der Meinung, dass man Unordnung in seinem Leben brauchte. Sicher, die Kontrolle gab Sicherheit, aber ohne den gelegentlichen Druck, weil man fast zu spät kam oder man eine Arbeit vor einer bestimmten Deadline beenden musste, wäre es wohl langweilig und eintönig. Vielleicht war ich auf eine gewisse Art und Weise doch der zerstreute Künstler, den Jake angesprochen hatte.

,,Ja, Ihr Bruder ist durchaus faszinierend, aber das scheint wohl in der Familie zu liegen?", erwiderte ich.
,,Das liegt nur in unserer Generation der Familie, aber darüber wollten Sie doch nicht sprechen", antwortete er ausweichend und ich ließ ihn seine Geheimnisse halten. Es reichte, wenn ich versuchte, ihm die seines Bruders zu entreißen. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
,,Gut, dann erzählen Sie mir, was passiert ist und lassen Sie keine Details aus."

Er atmete schwer aus. ,,Ich gehe davon aus, da sie von dem Sprung und Johns Blog wissen, dass Sie mit dem Namen James Moriarty etwas anfangen können."

Ich nickte bestätigend.

,,Er war... besorgniserregend für die britische Regierung", erklärte er. ,,Aus einem mir unbekannten Grund hatte er allerdings eine gewisse... Affinität zu meinen kleinen Bruder. Es kam zu Verhandlungen, auf die ich nicht weiter eingehen werde, und schließlich endete es damit, dass wir Moriarty das Gefühl der Überlegenheit geben mussten, um ihn zu kontrollieren. Es war kein Wunder, dass er suizidal geprägt war, er hatte es schließlich oft genug angedeutet und so war es ebenfalls keine Überraschung, dass er sich auf dem Dach das Leben genommen hatte. Sherlock und ich haben verschiedene Pläne ausgearbeitet, verschiedene Szenarien, deren Auftreten sehr wahrscheinlich war und so konnten wir Sherlocks weitere Vorgehensweise nahezu perfekt gestalten."

Ich hörte ihm gespannt zu. Er holte weit aus, ließ jedoch immer wieder Details aus, die offenbar unter Geheimhaltung lagen - zu meinem Bedauern. Trotzdem konnte ich mir ein ungefähres Bild machen, von dem, was passiert war und wie danach alles in gewisser Maßen aus dem Ruder gelaufen war.

______

Als er in seiner Erzählung geendet hatte, gab es, wenn ich ehrlich war, nicht viel zu verarbeiten. Die beinahe lächerliche Simplizität des Plans der beiden Holmes-Brüder war nahezu ernüchternd. Warum ich nicht selbst darauf gekommen war, war wohl die nächste Frage, die für immer offenstehen würde. Für immer, oder gar nicht. Vielleicht war ich einfach nur schlichtweg zu stupide gewesen, um die Einfachheit zu durchschauen.
Ich seufzte, vor Erleichterung, endlich die Lösung zu kennen und aus Frustration, sie nicht selbst gefunden zu haben.

,,Ich möchte Ihnen nur noch einmal nahelegen, diese Informationen niemanden preiszugeben. Niemanden. Ansonsten wird es Konsequenzen geben", wies mich Mycroft nochmal darauf hin und ich antworte artig mit einem ,,Natürlich."
,,Wir sollten zurück zu der Veranstaltung gehen. Sie werden sicherlich schon schmerzlich vermisst", merkte Mycroft an. Ich nickte zur Bestätigung.
,,Sie haben recht."
Er erhob sich von meinem Schreibtisch und öffnete die Tür hinter mir.
,,Bitte, nach Ihnen", sagte er dann und deutete dann ein kurzes Lächeln und eine Handbewegung in Richtung der geöffneten Tür an. Ja, er war eindeutig gesellschaftsfähiger als sein Bruder.
,,Danke", lächelte ich und ging durch die Tür, Mycroft folgte mir und schloss sie dann wieder hinter sich.

,,Mrs. Carter, ich würde Ihnen gerne noch einen Rat geben, bevor sich unsere Wege wieder trennen", hörte ich Mycroft hinter mir sagen und ich drehte mich erneut zu ihm um. Er sah auf den Schirm in seinen Händen hinab, den er nachdenklich, mit der Spitze auf dem Boden, drehte.

,,Ich werde es nur einmal sagen und danach liegt es in Ihrer eigenen Verantwortung, was Sie tun oder lassen." Er machte eine kurze Pause, in der er mich wiederum musterte. ,,Versuchen Sie sich nicht emotional an meinen Bruder zu binden. Er wird Ihre Hingabe ausnutzen, wie er es bei Janine Hawkins getan hat."
Ich erinnerte mich an die Geschichte, die er mir nur vor wenigen Minuten über Sherlocks gefakte Affäre erzählt hatte.
,,Danke für Ihre Sorge", erwiderte ich ehrlich dankbar. ,,Ich würde Sie gerne noch etwas fragen. Warum haben Sie mir das alles erzählt?"
Er hielt kurz inne, spannte sich kaum merklich an und antwortete dann: ,,Sherlock hat mich darum gebeten. John hat den letzteren Rat beigetragen, als mein Bruder nicht anwesend war."
,,Danke." Er nickte knapp und ging dann an mir vorbei, auf die Treppe zu.

Warum wollte der Detektiv, dass ich von seinem immer gut bewahrten Geheimnis erfahre? Sein Argument schien jedoch doch so stichhaltig zu sein, dass selbst sein Bruder nichts dagegen sagen konnte. Er verheimlichte mir etwas und ich hoffte, mehr darüber zu erfahren, wenn mir John ihre bis jetzt gesammelten Hinweise geschickt hatte.

Wir gingen wieder hinauf in den Aufenthaltsraum, in dem bereits das Buffet eröffnet worden war und an dem sich nun eine lange Schlange gebildet hatte - zu meinem Gefallen mit genügend Sicherheitsabstand. Zu meiner Überraschung jedoch, war auch der Detektiv Teil von ihr, in seiner Hand ein noch leerer Teller. Er trug ein schwarzes Jackett, darunter ein weißes Hemd ohne Krawatte. Interessiert ging ich auf ihn zu und ließ Mycroft damit auch wieder seiner Wege gehen.

,,Ich dachte, Sie essen nicht bei der Arbeit?", fragte ich ihn amüsiert und deutete auf die porzellanene Platte in seinen schmalen Fingern.
,,Nach zwei Tagen ohne etwas Nahrhaftes ist es dann doch der Hunger, der mich vom Denken abhält", erklärte er mir und nahm sich aus dem neben ihm befindlichen Brotkorb eine Scheibe Brot. Ohne Anstalten zu machen, sie auf seinen Teller zu legen, biss er hinein.
Ich hob eine Augenbraue an.
,,Offensichtlich haben Sie wirklich nichts gegessen. Wo ist eigentlich John?"
,,Ich habe ihm eine neue Aufgabe gegeben", erwiderte er.
,,Wird er noch herkommen?"
,,Nein."
,,Was haben Sie über die Probe herausgefunden?", wollte ich dann wissen, machte ihm allerdings mit einer Handbewegung deutlich, diskret zu sein.
,,Dr. Spring hatte recht. Man hat ihm C₁₉H₂₁NO₄ verabreicht", antwortete er.
Mit der Summenformel konnte ich zwar an sich nicht viel anfangen, aber dass es sich um Naloxon handelte, konnte ich mir denken. Ein cleverer Weg, unser Gesprächsthema zu verschlüsseln, sodass die restlichen Gäste nicht sofort darauf kommen konnten, wovon wir sprachen.
,,Haben Sie das Opioid gefunden, was man ihm zuvor gegeben hatte?", wollte ich wissen.
Kommentarlos kaute er weiter auf seiner Mahlzeit herum und schluckte sie hinunter, bevor er sich die Scheibe erneut in den Mond schob, jedoch nicht um davon abzubeißen, sondern um seine Hand freizubekommen und sich aus einer Schüssel etwas Salat auf seinen Teller zu verfrachten.

Ja, Mycroft war tatsächlich gesellschaftsfähiger.

Ich schmunzelte über diesen Gedanken. Meine Anforderungen waren wohl zu hoch. Der Lockenkopf hatte sich den ganzen Abend wie ein vernünftiger Brite verhalten und dass er Hunger hatte, konnte man ihm wohl nicht verdenken. Noch dazu gab es durchaus Menschen in diesem Raum, die schlechteres Verhalten an den Tag legten - Mr. Owens zum Beispiel, der sich an einem Tisch in einer Ecke aufhielt, und ausschließlich von geschäftsinteressierten Männern in dunklen Anzügen umgeben war, ignorierte man die beiden Blondinen an seiner Seite. Man konnte sein Prahlen bis hier her vernehmen und es war fast etwas unangenehm, ihn als Ehrengast des heutigen Abends angekündigt zu haben.

Als hätte er gehört, dass meine Gedanken zu ihm gewandert waren, erhob er sich plötzlich von seinem Stuhl und steuerte, samt Sektglas, auf uns zu.
,,Mr. Holmes, Oliv", begrüßte er uns und ließ es sich nicht nehmen, mir zuzuzwinkern.
,,Guten Abend Mr. Owens, ist alles zu Ihrem Gefallen? Brauchen Sie etwas?", fragte ich ihn freundlich, seine Anrede ignorierend.

Der Detektiv, der die Scheibe Brot nun endlich auf seinen Teller gelegt hatte, sah skeptisch zwischen uns hin und her.
,,Nein, ich wollte nur Mr. Holmes ausrichten, dass das Rennen in Bristol beendet ist und das er richtig getippt hat. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben unsere Wette gewonnen", erklärte er, erstaunlich euphorisch, trotz der Tatsache, dass er offenbar gegen Mr. Holmes verloren hatte. Vielleicht war es seinem schon deutlich gestiegenen Alkoholspiegel zu verdanken oder es lag daran, dass er seine Niederlage nach außen hin so gut wie möglich vertuschen wollte.
,,Danke, dann können wir mit unserer Zusammenarbeit beginnen?", fragte der Detektiv und nun war ich es, die zwischen den beiden Männern hin und her sah. Was für eine Art von Wette waren sie eingegangen? Was hatten die beiden nur gemacht, während Mycroft und ich in meinem Büro waren?

,,Wann auch immer Sie möchten", erwiderte Mr. Owens lächelnd. ,,Und noch etwas: Es ist selten, dass ich das sage, also können Sie etwas von sich halten. Ihre Kleine überlasse ich Ihnen. Ich werde mich nicht zwischen Sie drängen." Er deutete mit seinem Sektglas erst auf ihn, dann auf mich und mein Blick lag nun doch auf dem Detektiv. Fast etwas fassungslos starrte ich ihn an.
,,Gern geschehen", sagte Mr. Owens grinsend und wandte sich dann wieder von uns ab, um zu gehen.

,,Mr. Holmes, was sollte das bedeuten? Ach - vergessen Sie die erste Frage! Was ist das für eine Wette gewesen?", wollte ich besorgt wissen.

Der Detektiv starrte Mr. Owens nach und reagierte nicht auf meine Frage.

,,Entschuldigung?", fragte ich unsicher. Vorsichtig berührte ich ihn an der Schulter, woraufhin er mich irritiert ansah. Verwirrt kniff er die Augen zusammen und öffnete sie dann wieder. War er so tief in Gedanken versunken gewesen?

,,Mr. Holmes?"
Sein Blick wirkte unfokussiert. Er begann zu zittern und musste sich an dem Tisch neben ihm festhalten. Er war nicht mehr in der Lage, den Teller vor sich gerade zu halten, wodurch alles auf ihm Bekanntschaft mit dem Boden machte.
,,Sagen Sie mir, was los ist!", wies ich ihn dringlich an, doch erneut zeigte er keine Reaktion auf meine Kommunikationsversuche.

Ich schaffte es nicht, seinen plötzlichen Fall aufzuhalten und er schlug hart mit dem Kopf auf den hellen Mamorboden auf, was ihn sofort ohnmächtig werden ließ.

Innerhalb von Sekunden hatte sich um uns eine Traube von Menschen gebildet. Ich hockte mich zu ihm und versuchte mich an irgendetwas aus dem letzten Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern, was mir allerdings, angesichts der Tatsache, dass ich selbst unter einem gewaltigen Schock lag, weniger gut gelang. Vorsichtig fuhr ich ihm durch die dunklen Locken und fand erschreckender Weise, was ich befürchtet hatte. Meine Finger waren blutüberströmt.
Die Platzwunde ließ sich keine Zeit, den Boden mit einem roten, glänzenden See zu überfluten.

Ich spürte Mycrofts Präsenz neben mir auf dem Fußboden und als hätte er meine Denkprozesse auf einmal wieder in Bewegung gebracht, holte ich reflexartig mein Handy heraus, um einen Krankenwagen zu rufen.

Halten Sie bloß durch, Sherlock Holmes.

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Vielen Dank an schokomufflon für die chemische Unterstützung! ;)

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