-~3~- Sie dürfen nicht hier sein

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Nachdem ich auch die Führung durch die Stallanlage überstanden hatte, war nur noch ein Teil des Gebäudes interessant für meinen erdrückend zielsicheren Gast: Die Besuchertribünen. Genauer gesagt die VIP-Plätze.

Ich führte ihn durch die leeren Reihen, um ihm erneut einen Überblick über die Rennbahn zu gewähren.
Ich konnte ihm nun endlich einiges über den Hintergrund der Anlage erzählen und er schien mir tatsächlich zuzuhören.

,,Auf den Plätzen, die ich Ihnen nun gleich zeigen werden, saßen bisher nicht nur berühmte Persönlichkeiten, wie der amerikanische Präsident und die besten Jockeys der Welt, die bereits ihr Rentenalter erreicht hatten. Auch die Königsfamilie findet sich hier regelmäßig ein, um unseren Rennen beizuwohnen", erklärte ich und deutete auf einen abgesonderten Abteil von Sitzplätzen, die wesentlich komfortabler und geräumiger wirkten, als der Rest der Sitzgelegenheiten auf der Tribüne. Sie waren durch eine Glasscheibe von den restlichen Plätzen abgetrennt und boten so etwas Privatsphäre, die unseren VIPs in der Vergangenheit immer sehr wichtig gewesen war.

,,Menschen meines Geistes", erwiderte Mr. Owens, bevor er sich zu mir umdrehte und mich interessiert musterte. ,,Wollen Sie wissen, wie ich meine Startnummern auswähle?", fragte er dann und zwinkerte mir zu.
,,Es steht nicht in meinem Ermessen, ob Sie mir von Ihrer Taktik erzählen wollen, Sir", wich ich daraufhin nichtssagend aus.
,,Doch, ich möchte, dass Sie es wissen", erwiderte er und fuhr dann fort: ,,Oder noch besser: Was denken Sie, wie ich es schaffe, immer zu gewinnen?"

Ein ungutes Gefühl kam in mir auf. Wenn ich sein Verhalten hätte interpretieren sollen, hätte ich vermutet, dass er mit seiner ominösen Masche prahlen wollte. Natürlich war das nichts, was man vor einem Kunden zum Ausdruck brachte, deswegen lächelte ich einfach nur und antwortete dann: ,,Tut mir leid, Sir. Ich weiß es nicht."

,,Ach kommen Sie!", rief er auffordernd und da ich ihn nicht verärgern wollte, antwortete ich: ,,Ich schätze Sie haben ein besonderes Händchen bei der Wahl der richtigen-"
,,Nein, nichts von all dem! Rechnereien waren noch nie etwas für mich. Nein, viel einfacher! Ich nehme einfach die Initialen der schönsten Frau, die ich vor dem Rennen treffe und wandle sie in Nummern um!", rief er und unterbrach mich damit grob. Ohne auf meine Antwort zu warten, sprach er weiter: ,,In Ihrem Fall stände das O für die zwanzig und das C für die drei. Ich setze also die Startnummer zwanzig auf Platz eins, die drei auf Platz zwei und so weiter... Mit jedem Ihrer Buchstaben. Glauben Sie mir, das hat mich bis jetzt immer zum Sieg geführt."
Ich war in seinem Redefluss kurzerhand erstarrt und musste über meine Antwort nur kurz nachdenken.
,,Ich denke, es wäre besser, wenn wir mit der Führung fortfahren."

Ich holte aus meiner Hosentasche einen kleinen Schüssel heraus und öffnete die Tür zu dem VIP-Abteil, sodass mein Gast eintreten konnte.
Ich steckte den Schlüssel gerade wieder ein, als mir auffiel, dass er plötzlich hinter der Tür wie angewurzelt stehengeblieben war und auf einen Punkt in der VIP-Anlage starrte.
,,Alles in Ordnung, Sir?", wollte ich wissen, entdeckte doch dann den Grund für seine plötzliche Schweigsamkeit: Zwei Männer saßen in einer Ecke auf den Sitzplätzen und schauten auf die Rennbahn hinab.
Eine gewisser Schreck saß mir auf einmal in den Gliedern.
,,Das tut mir schrecklich leid, Sir. Diese Männer haben hier nichts zu suchen", erklärte ich hektisch und ging dann an ihm vorbei, um auf die beiden Störenfriede zuzusteuern. Jake hatte mir versichert, die Tribüne kontrolliert zu haben. Später würde er von mir zu hören bekommen. Hoffentlich hatte er sich schon ein geeignetes Versteck gesucht.

Da sie von mir abgewandt dasaßen, konnte ich nur den langen, schwarzen Mantel und die dunklen Locken des größeren und die blonden Haare des etwas kleineren ausmachen.

,,Entschuldigen Sie meine Herren, aber der Einlass für die Besucher beginnt erst in etwa einer Stunde. Ich muss Sie bitten, die Tribüne zu ver-" Mein Satz blieb mir schlagartig im Hals stecken, als sich die beiden Männer zu mir umdrehten und ich in ihnen Sherlock Holmes und John Watson erkannte. Ich kannte ihr Erscheinungsbild nur von Fotos aus dem Blog oder der Zeitung und sie jetzt leibhaftig vor mir zu sehen, war doch etwas anderes. Natürlich hatte man sich ab und zu in der Baker Street getroffen, aber dem jeweils anderem keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt.

Als ich merkte, dass ich die beiden anstarrte, räusperte ich mich kurz, um meine Fassung wiederzuerlangen. ,,Mr. Holmes und Dr. Watson, was für eine Überraschung, aber ich fürchte, dass Sie nicht hier sein dürfen", erklärte ich ihnen.
Die beiden standen von ihren Plätzen auf und kamen auf mich zu.
,,Mrs. Carter, nehme ich an", sagte Mr. Holmes und hob zur Begrüßung seine Hand, genau wie Dr. Watson. Die Frage, warum er meinen Namen kannte, stellte sich mir nicht, bei all dem, was ich über den Detektiv bereits gehört hatte. Und dann war da noch das Namensschild an meinem Blazer, was ein Vergessen meines Namens unmöglich machte.

Ich hatte fast verdrängt, dass Mr. Owens ebenfalls noch auf der Tribüne war und zuckte beinahe etwas zusammen, als er nun hinter mir das Wort ergiff: ,,Mr. Holmes! Was für ein glücklicher Zufall. Wer hat noch nicht von Ihnen gehört? Haben Sie sich nun auch der Wettbranche verschrieben?"
,,Morde aufzuklären ist nichts für die Ewigkeit", erklärte der Detektiv mit einem freundlichen Lächeln. ,,Und das Wetten stellt eine willkommene Abwechslung zu der Brutalität dar, der ich zunehmend begegne."

Ich wollte mir nicht anmaßen, zu urteilen, aber wenn nur eine Kleinigkeit aus Dr. Watsons Blog über ihn stimmte, dann war dieses Lächeln nur ein Mittel zum Zweck und die beiden waren aus einem bestimmten Grund hier.

,,Brian Owens. Ich bin mit Ihrer Arbeit durchaus vertraut", stellte sich nun mein Gast vor und streckte den beiden Männern ebenfalls lächelnd seine Hand entgegen, die diese nacheinander ergriffen.

,,Ich zeigte Mr. Owens gerade die Anlage", erklärte ich. ,,Ich muss Sie aber leider erneut bitten, die Tribünen zu verlassen. Sie haben keine Autorisierung, hier zu sein."
,,In Ordnung, kein Problem. Lassen Sie uns doch später beim Rennen noch ein wenig unterhalten, Mr. Owens", sagte Dr. Watson nun und mein Gast nickte. Doch ob es ein euphorisches oder eher abgeneigtes nicken war, konnte ich so schnell nicht erkennen.

Nachdem die beiden Männer verschwunden waren, stand ich nun wieder allein mit Mr. Owens auf der Tribüne.
,,Ich muss mich für die unliebsame Störung entschuldigen, Sir. Das hatte ich nicht erwartet", erklärte ich mich erneut, wobei es mir inzwischen wirklich unangenehm war, mich ständig zu entschuldigen.
Er nickte mir als Antwort nur kurz zu.
,,Damit ist die Führung auch schon beendet. Wie ich bereits sagte, beginnt in einer Stunde der Einlass für die Zuschauer. Wenn Sie möchten, können Sie sich bis dahin an unserer Bar aufhalten und einen Snack oder ein Getränk zu sich nehmen", fuhr ich fort. ,,Ich würde Sie jetzt zurück zum Eingangsbereich begleiten, Sir. Ich darf Sie hier nicht allein lassen."
,,In Ordnung", erwiderte er kurz angebunden und folgte mir anschließend von der Anlage.

Der Rückweg war von einem angenehmen Schweigen begleitet. Zugegebenermaßen fragte ich mich, was die Begegnung mit Mr. Holmes und Dr. Watson in Mr. Owens ausgelöst hatte, aber was auch immer es war, war zu meinem Behagen, wenn ich ehrlich war.

______

Nachdem ich Mr. Owens bis zur Bar begleitet hatte und anschließend meine Sachen vom Tresen geholt hatte, konnte ich endlich in mein eigenes Büro gehen. Bis das Rennen und damit der große Stress beginnen würde, konnte ich noch etwas entspannen und am Computer arbeiten.

Ich setzte mich an den Schreibtisch, der in der Mitte meines Büros stand. Mein Blick blieb an der verdorrten Zimmerpflanze auf dem Fensterbrett hängen. Ich hatte wohl vergessen, sie in letzter Zeit zu gießen, was sie mir offensichtlich übel nahm. Einen grünen Daumen hatte ich noch nie gehabt.
Meine Aufmerksamkeit wanderte nun zu dem Computer auf meinem Schreibtisch. Er gehörte der neusten Generation an, was mir schon viele Nerven erspart hatte, wenn ich unter Zeitdruck stand.

Nach einer Weile des Arbeitens musste ich erneut an den Detektiv, den ich vorhin getroffen hatte und damit an die Tonfolge denken. Sie wollte mir nicht aus dem Kopf gehen.
Ich kramte aus meiner Tasche den Zettel hervor und sah mir die Kombination noch einmal an.
Innerlich ging ich das Treffen noch einmal durch und überlegte, ob er mir irgendwelche Hinweise gegeben hatte, aber je länger ich darüber nachdachte, desto lächerlicher kam es mir vor, dass es ein Code sein sollte. Vermutlich wusste Mr. Holmes noch nicht einmal, dass ich diejenige war, mit der er am gestrigen Abend gespielt hatte.

Ich seufzte und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Ich musste an Mr. Owens denken und wie er mir erzählt hatte, wie er die Reihenfolge der Startnummern immer festlegte. Ob es wirklich Menschen gab, die so viel Glück hatten?
Aus Spaß begann ich, die Noten auf dem Blatt ebenfalls in Zahlen umzuwandeln.

Zweimal ein d, also zwei, zwei. Dann ein c - eine eins.
Bei dem b hielt ich inne. Welche Zahl sollte das sein? Es war wohl zwecklos.
Oder ging es hier doch um die Reihenfolge des Alphabets?
Ach, eigentlich war es auch absolut irrational.

Ich schaute erneut auf den Bildschirm vor mir und bemerkte, dass der Besuchereinlass bereits begonnen haben musste, da ich schon seit über einer Stunde im Büro war. Vorerst wurde ich aber nicht gebraucht und konnte mich daher wieder meiner eigentlichen Aufgabe zuwenden.
In einer Ecke des Computerbildschirms konnte ich sehen, dass erste Wetten bereits eingegangen waren, unter anderem auch von Mr. Owens und... Mr. Holmes? Ich klickte interessiert auf die Schaltfläche mit seinem Namen. Ich konnte sehen, wie er gesetzt hatte und auch einige persönliche Daten, wie seine Adresse: 221B Baker Street.
Ich starrte wie gebannt auf den Bildschirm und dann zurück auf den Zettel, der vor mir auf dem Schreibtisch lag.

221b, das waren die ersten Ziffern, des vermeintlichen Codes. Auf einer gewissen Weise fast euphorisch begann ich auch die restlichen Buchstaben in Zahlen umzuwandeln.

221b 171577

Zugegebenermaßen etwas ratlos sah ich auf den Zettel hinab. Die einzige Lösung, die mir nach einer Weile einfiel war, dass heute der siebte Juli war. Also waren die letzten beiden Zahlen vermutlich das heutige Datum.

221b 1715 7. Juli

Wollte er sich mit mir treffen? Ort und Datum waren vorhanden. Wenn das der Fall war, fehlte noch eine Uhrzeit. Siebzehn Uhr fünfzehn, was für eine ungewöhnliche Zeit, allerdings war es auch nicht möglich, mit einer Note eine Null anzugeben, daher war diese Tatsache selbsterklärend.

War das die Lösung? Oder bildete ich mir nur etwas ein, um einen berühmten Detektiv kennenlernen zu dürfen? Tatsächlich empfand ich ihn als eine interessante Persönlichkeit, aber konnte die Tonfolge reiner Zufall sein? Ich war mir unsicher. Wieso sollte er mich einladen?

Es klopfte an meiner Tür und ich sah auf. Jake kam abgehetzt in mein Büro gestürzt. Seine Gesichtsfarbe glich meiner Wandfarbe - einem kühlen weiß - und sein Atem dem eines aufgeschreckten Kaninchens.
,,Liv", keuchte er, während er nach Atem rang. Ich erhob mich sofort von meinem Stuhl.
,,Was ist denn los, Jake?", fragte ich angespannt.
,,Es gab eine Prügelei bei der Bar. Die Managerin wird benötigt", erklärte er.
,,Okay, beruhigte dich erstmal. Ich sehe gleich nach", erwiderte ich und warf ihm einen beruhigenden Blick zu.

______

Nachdem alle Unannehmlichkeiten geklärt waren, hielt ich mich während des Rennens überwiegend im Besucherraum und auf der Tribüne auf, immer darauf bedacht, ein Auge auf Mr. Owens und seine Bedürfnisse zu haben. Gleichzeitig hielt ich allerdings auch nach dem Consulting Detective und seinen Begleiter ausschau. Weswegen ich das tat, war ich mir nicht sicher. Sollte ich ihn einfach fragen, ob die Tonfolge ein Code war oder machte ich mich damit völlig lächerlich? Ganz nebenbei gehörte auch meiner Armbanduhr immer wieder mal ein großer Anteil meiner Aufmerksamkeit, da ich dem Feierabend entgegenfieberte.

Da das Rennen ansonsten weitgehend friedlich ablief und alles zu Mr. Owens Zufriedenheit schien, hielten sich meine Aufgaben glücklicherweise in Grenzen und ich konnte die ausgelassene Stimmung auf dem Gelände tatsächlich genießen, auch wenn ich an den Stapel an Papier dachte, der auf meinen Schreibtisch lag und den ich morgen abarbeiten musste.

______

,,Tschüss Tessa, ich mache Feierabend", verabschiedete ich mich von der Rezeptionistin, als ich an dem Tresen vorbeilief.
,,Bis Morgen, Liv", erwiderte sie lächelnd.
Ich wollte mich gerade von ihr abwenden, da fiel mir noch etwas ein: ,,Ach, Tessa? Hat zufälligerweise ein gewisser Mr. Holmes oder ein Dr. Watson nach mir gefragt?"
Sie sah kurz in ihre Notizen, die vor ihr auf dem Tisch lagen und schüttelte dann den Kopf, während sie ihren Blick wieder zu mir hob. ,,Nein, niemand hat nach dir gefragt", sagte sie dann.
,,Okay, danke. Bis morgen", verabschiedete ich mich zum zweiten Mal bei ihr.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro