-~30~- Es war ein See

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Stumm aß ich den Kuchen, den John mir gebracht hatte. Ich hatte ihn gebeten, zu gehen. Zu laut waren meine Gedanken geworden, sodass ich ihm nicht mehr hatte zuhören können.
Die Tatsache, dass ich so viele Fragen hatte, fraß an meiner Seele. Fragen, noch mehr Fragen und erneut nur Fragen. Und nur sporadisch Antworten dazu.

Mein Leben war doch gut. Ich verdiente genug Geld, ich hatte eine Wohnung in der Innenstadt Londons, ich hatte Freunde, ich hatte die Entführung überlebt... Und doch stimmte etwas nicht.

War es der nicht anzuzweifelnde Umstand, dass ich mich in einen unnahbaren, selbsternannten Soziopathen verliebt hatte? Oder dass der Fall, der mir seit Wochen auferliegt, einfach kein Ende finden wollte? Oder dass eine Freundin in mein Leben zurückgekehrt ist, die mich an meine Vergangenheit erinnert?

Vermutlich war alles ein bisschen daran Schuld, aber eine Sache ganz besonders: Owens, der schon wieder in dem Sessel im Zimmer saß und eine Zeitung las.

,,Es ist keiner der Umstände, die Sie aufgezählt haben", sagte er nebenbei, während er die fett gedruckten Überschriften auf der Doppelseite überflog. Ich legte die Kuchengabel neben das Gebäck auf den Teller.
,,Ach ja? Was ist es dann?", wollte ich von ihm wissen.
,,Was weiß ich? Ich sage doch nur, was Sie denken. Was du denkst. Aber eine Antwort auf die Frage hast du selbst nicht", erwiderte er und ich rollte genervt mit den Augen.
,,Warum stelle ich mir eigentlich gerade dich vor?", fragte ich ihn. Oder mich? Uns?
,,Mit mir hat alles begonnen! Ich war derjenige, der dein Leben so sehr verändert hat. Sogar verbessert, wenn du mich fragst. Klar, es gab das ein oder andere Problemchen, aber alles in allem-"
,,...ist es nicht gerade einfacher geworden", beendete ich seinen Satz.
,,Pff... Einfacher. Wer will schon einfacher? Einfacher ist langweilig. Aber weiß du was noch langweiliger ist? Dass du immer wieder über die selbe Sache nachdenkst. Oder eher über die selbe Person. Sherlock empfindet nichts für dich. Er gibt sich mit dir ab, so lange er dich braucht und dann geht er wieder."
,,Du bist also mein Unterbewusstsein?", fragte ich ihn weiter. Ich zog skeptisch meine Augenbrauen hoch und nahm die Gabel wieder in die Hand, um den Kuchen weiter zu essen.
,,Das könnte man so sagen", erwiderte er und setzte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck auf. ,,Aber ich bevorzuge Consulting Mind - versteht du? Weil-"
,,Ja ja, ich verstehe schon." Ich winkte ab und musste tatsächlich etwas über die Ironie des Gesprächs schmunzeln. ,,In Ordnung, CM, wenn du nicht mehr weißt als ich, woher weißt du dann, dass mich Sherlock nicht auf diese Art und Weise mag?"
,,Erfahrung", war seine knappe Antwort und in mir regte sich das schwere Bedürfnis, ihm das Gegenteil zu beweisen.

Wie auf ein Stichwort kam Sherlock erneut in mein Zimmer - heute war tatsächlich viel los - und verkündete mir das folgende: ,,Du darfst das Krankenhaus wieder verlassen."
Ich stellte meinen leeren Teller auf dem Tisch neben dem Bett ab.
,,Super! Ich muss nach Hause, dringend duschen und mal telefonieren", erwiderte ich euphorisch und war schon dabei, mir die Decke vom Körper zu ziehen.
,,Nein, wir müssen natürlich noch hier bleiben, um weiter zu ermitteln. Ich habe fünf Gewässer hier in Cardiff gefunden, in die du gefallen sein könntest. Aber wenn ich mir deinen rechten Ringfinger ansehe, stehen nur noch drei zur Auswahl."

Ich sah zu meiner Hand hinunter, konnte daran aber nichts erkennen und fragte mich sofort, ob er nicht vielleicht doch von Anfang an nur drei Gewässer zur Auswahl gehabt haben konnte und nur aus Hybris von fünfen gesprochen hatte. Aber das war nur eine Vermutung und ich ließ ihn seinen Spaß.
,,Wie können wir herausfinden, welches Gewässer es ist?", wollte ich wissen und er deutete sofort, als hätte er nur auf die Frage gewartet, auf meine Haare.
,,Deine Haare sind nicht gewaschen. Es müssten sich also noch Kleinstteilchen aus dem See darin befinden", erklärte er.
,,Warum ein See?", fragte ich.
,,Das hoffe ich. Dann können wir den Ort an dem du gefangen gehalten wurdest schneller finden."

,,Dann hat er dich schneller los", kommentierte Owens. Sherlock bemerkte meinen Blick hinter ihn und er drehte sich herum, sagte jedoch nichts zu der Leere, die sich dort befand.

,,Du brauchst also eine Probe meiner Haare?", fragte ich, um seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken.
,,Das wäre hilfreich", antwortete er.

______

Schon am Abend war der Detektiv mit den Testergebnissen zurück. Im Schlepptau hatte er John, der von der Euphorie des Dunkelhaarigen schon etwas angenervt wirkte.
,,Es war ein See", verkündete Sherlock und zog mir, sobald er an mein Bett herangetreten war, die Decke vom Leib. Statt der warmen Daunenschicht legte sich sofort ein Schleier aus Kälte über meinen Körper, da ich nichts weiter als ein Krankenhaushemd trug.
,,Hier, zieh das an", sagte Sherlock und warf mir einen Stapel sauberer Kleidung zu. Es war ein lockerer Pullover und eine Jeans darunter.
,,Danke", erwiderte ich perplex und sah abwechselnd zwischen John und Sherlock hin und her.
,,Woher weißt du, dass es ein See ist?"

,,Nymphaea caerulea. Der blaue Lotus. Du hattest Samen in deinen Haaren. Das ist eine Seerosenart, die normalerweise im tropischen Afrika verbreitet ist. Hier in Wales gibt es nur zwei Orte, wo diese Art gezüchtet wird: Zwei Seen, die beide in Cardiff liegen. Morgen besuchen wir sie."
Ich sah zu John, der mich hoffnungsvoll anlächelte.
,,Heute Nacht kommst du erstmal mit uns ins Hotel", sagte der Blonde dann.

Die beiden Freunde warteten vor meinem Zimmer, bis ich mich angezogen hatte und zu ihnen nach draußen trat.

Wir fuhren in ein kleines Hotel unweit vom Krankenhaus. Mycroft hatte uns einige Sicherheitsleute zur Verfügung gestellt, die Sherlock resolut abgewiesen hatte, bis sie zähneknirschend ihren Posten vor unserer Zimmertür verlassen hatten.

Das Hotelzimmer war schön. Es hatte in etwa die Größe meiner Wohnung, nur dass der Schnitt anders war: Das Badezimmer war wesentlich großzügiger und das Wohn- und Schlafzimmer waren zusammengelegt. Es gab drei weiß bezogene Betten, von denen zwei nebeneinander standen und eines ihnen gegenüber an der Wand seinen Platz hatte. Ich war froh, dass ich meinen Mundschutz hier abnehmen konnte, da es schon unangehm stickig darunter geworden war.

,,Um neunzehn Uhr gibt es Abendessen. Wenn du noch duschen gehen willst, solltest du dich beeilen", sagte Sherlock, während er auf seine Armbanduhr sah. Er hob seinen Blick wieder und sah mir in die Augen. ,,Mycroft hat deine Sachen hierher bringen lassen. Die Kleiderordnung zum Dinner ist streng. Ziehe dir etwas angemessenes an."
Ich nickte brav und ging auf den Schrank zu, der uns gegenüber im Wohnzimmer stand. Erstaunt stellte ich fest, dass man tatsächlich meine gesamte Kleidung hergebracht hatte.

Ich entschied mich für ein schwarzes, schulterfreies, eng anliegendes Kleid, das einige Details aus Spitze besaß. Das Kleid hatte ich zuletzt in der Royal-Ascot-Rennwoche im letzten Jahr getragen, bevor das alles mit der Pandemie losging.
Die Erinnerung an diese Zeit wirkte surreal.

Ich beeilte mich, im Bad fertig zu werden und schaffte es so tatsächlich, kurz vor neunzehn Uhr fertig zu sein. Sherlock und John warteten bereits auf mich. Sie trugen beide schöne Anzüge: John einen anthraziten Tagliatore, mit einer schwarz-rot gemusterten Krawatte und Sherlock mit einen dunkelblauen Spencer Hart - ohne Krawatte. Einzig und allein die Masken zerstörten das Gesamtbild.

,,Können wir los?", fragte John und ich lächelte ihnen entgegen.
,,Gleich, ich muss noch meinen Mundschutz holen", erwiderte ich und tat, was ich gesagt hatte. Er lag nur wenige Meter weiter auf einem der Regale, die an der Wand, neben den Betten standen.

Gemeinsam gingen wir zum Diningroom. Wir waren allein - bis auf einige Kellner und Sicherheitsleute. Wir suchten uns einen Tisch an den großzügigen Fenstern, die einen Blick auf den schön hergerichteten Garten gaben. In verschiedene Formen geschnittene Bonsais umgaben einen kleinen Koiteich. Die Fische darin waren farbenprächtig und auf der Wasseroberfläche schwammen Seerosenblätter. Leider blüten die Pflanzen nicht mehr, was das Bild aber nicht abwertete. Die Sonne begann gerade, hinter dem Wald am Horizont unterzugehen und das Wasser reflektierte das rote Licht.

,,Willkommen im Hotel Martins. Kann ich Ihnen bereits etwas zu Trinken bringen?", fragte der Kellner, dessen Erscheinen ich erst gar nicht mitbekommen hatte.

Wir bestellten unsere Getränke und ich fragte mich zunehmend, warum wir so formal gekleidet waren. Jedoch vertieften wir uns bald in ein Gespräch, dass meine Fragen vorerst in den Hintergrund schob. Es war kein geschäftliches Thema und wir unterhielten uns fast wie alte Freunde.

,,Jetzt habet ihr beide Gedächtnisprobleme", stellte John nach seinem zweiten Rotweinglas fest und ich fragte mich ernsthaft, wie wenig Alkohol er vertrug. Sherlock und ich verzichteten auf alkoholische Getränke, da wir kein Risiko mit den Nebenwirkungen des Cylens eingingen wollten, hatten John allerdings nicht davon abhalten wollen, etwas zu trinken.
,,Ja, aber bei Liv scheint es nur eine Gedächtnislücke zu sein, ohne weitere Erinnerungsprobleme. Ich habe immer noch Schwierigkeiten mit einigen Fakten aus meiner Vergangenheit, obwohl es bereits wesentlich besser ist. Ich gehe davon aus, dass wir unterschiedliche Drogencocktails bekommen haben", erwiderte Sherlock und ich pflichtete ihm mit einem Nicken bei.
,,Hast du sonst noch irgendwelche anderen Nachwirkungen?", wollte ich wissen.
,,Man merkt es mir vielleicht nicht an, aber ich bin außergewöhnlich emotional. Eine Lästigkeit, wenn man mich fragt", antwortete der Detektiv.
,,Sicher, dass das an den Drogen liegt?", murmelte John in sein Glas, bevor er noch einen Schluck nahm und ich sah Sherlock dabei zu, wie er versuchte, seinen Freund mit den Augen zu erdolchen.
,,Falls du auf anderweitig ausgelöste Sentimentalität anspielst, John, hätte ich erwartet, dass du mich besser kennst. Ich halte nichts von Beziehungen im romantischen Sinne", sagte er scharf und ich spürte einen Stich im Herzen.

Sherlock sah mich also nur als gute Freundin. Hatte ich ihn so falsch interpretiert? Gab es überhaupt jemanden, der ihn richtig interpretieren konnte?

Wie auf ein Stichwort trat ein Mann im grauen Dreiteiler und Schirm in den Diningroom ein. Unübersehbar Mycroft, der mit seiner gewöhnlichen arroganten Ausstrahlung den gesamten Raum einnahm.
,,Hallo Bruderherz, ich bin froh, dass du meinen Wunsch der Kleiderordnung erfüllt hast."

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Hallo liebe Reader! Anlässlich Sherlocks Geburtstages ein neues Kapitel! Noch ein frohes neues Jahr☺️

2021. Wahnsinn. Dieses Jahr steht einiges an.

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen. Ich versuche die wissenschaftlichen Aspekte wenn möglich immer so realistisch wie möglich darzustellen, allerdings muss ich zugeben, dass ich mir das mit dem Blauen Lotus nur ausgedacht habe ;) Zwar ist die Pflanze tatsächlich in Mittelafrika verbreitet, ob sie aber in Wales in nur zwei Seen gezüchtet wird, weiß ich nicht...

Und ich freue mich sehr auf eure Reaktion auf das nächste Kapitel. Es wird so schön werden. Vielleicht ist es sogar mein bisheriges Lieblingskapitel :)

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