35 - ein Schritt vor, zwei zurück

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⊱─ ⋯ ─⊰ TAG 7 ⊱─ ⋯ ─⊰

[Mittwoch abends]

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Ich weiß nicht, wie oft ich jetzt versucht habe, aus dem Bett wieder rauszukommen und mich dazu zu zwingen, meine Arbeit zu machen. Auf jeden Fall verdammt oft. Aber es bringt nichts. Mein Körper ist wie erstarrt, meine Hände krallen sich ins Kissen, als wäre es das einzige, woran ich mich in meinem Leben gerade noch festhalten kann. Und der dicke Kloß in meinem Hals raubt mir nicht nur die Luft zum Atmen, er kündigt auch an, dass ich die Tränen nicht mehr lange zurückhalten kann. Wie kann man durch so etwas Banales nur so aus der Bahn geraten?

Ich schließe die Augen, versuche mich auf eine ruhigere Atmung zu konzentrieren und meine Tränen irgendwie in Schach zu halten, als es an der Tür klopft. Oh Fuck! Nicht jetzt!

Jimin wirkte doch vorhin nicht so, als hätte er es besonders eilig, den fertigen Song zu hören. Ich dachte, er wollte sich noch ausruhen und alles. Wieso klopft er jetzt schon? Wieso kann er nicht später kommen? Und vor allem: Was mache ich denn jetzt? Wenn ich ihm so gegenüber trete, dann kann ich meine Tränen wahrscheinlich nicht mehr zurückhalten. Und vor Jimin heulend zusammen zu brechen, ist das letzte, was ich gerade will. Aber abweisen will ich ihn auch nicht. Wieso hat er nicht einfach ne Nachricht geschrieben? Darauf hätte ich wenigstens noch antworten können. Aber nein. Jimin muss unbedingt von Angesicht zu Angesicht über den Song reden.

Wieder klopft es, aber ich liege immer noch unbewegt im Bett und überlege krampfhaft, was ich machen soll. Vielleicht kann ich mich einfach schlafend stellen. Das wäre immerhin nicht das erste Mal, dass ich zu seltsamen Uhrzeiten schlafe. Auf der anderen Seite ... Er weiß ja, dass ich HEUTE noch an dem Song beziehungsweise meinen Notizen arbeiten muss. Und bevor er denkt, dass ich ihn wieder nur abweisen will, sollte ich mich lieber zusammenreißen und diese beschissene Tür aufmachen.

Leichter gesagt als getan. Ich schaffe es zwar aufzustehen, aber weiter komme ich nicht. Ich starre die Türklinke an, als würde ich mit dem Öffnen mein Todesurteil unterschreiben müssen. Verdammt, Jimin. Wieso!?
Ich gebe mir einen Ruck, halte die Luft an, verdränge tapfer meine Tränen und öffne die Tür.


ʝιɱιɳ

Auf mein erstes Klopfen hin passiert mal so gar nichts. Aber vielleicht hat er grade die Kopfhörer auf? Ich warte ein Weilchen ab und klopfe dann nochmal. Leise Geräusche kündigen mir an, dass gleich die Tür aufgehen wird. Der Anblick, der sich mir dann bietet, haut mich allerdings einigermaßen aus den Socken. Yoongi sieht aus, als würde er gleich Sturzbäche heulen. Er muss sich echt anstrengen, um das zu verhindern.

Gehe ich da jetzt drauf ein? Oder gehe ich drüber weg? Was ein Irrsinn, diese ganze Geschichte! Ich kann das doch jetzt nur falsch machen!
"Hi. Du sagtest, dass ich heute noch rüberkommen kann. Und da deine Prüfung schon morgen ist, dachte ich, am besten sprechen wir gleich drüber. Hast du noch die Kraft, oder bist du schon fertig und willst nur noch ins Bett?"

So kann er das eine oder das andere antworten. Wie er es grade braucht. Nebenbei überlege ich fieberhaft, WAS Yoongi denn so zum Weinen getrieben hat. Hoffentlich nicht ich. Denn das will ich ja gar nicht. Ich will doch nur mich selbst schützen.

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Ich höre Jimins Worte. Ich weiß sogar, was ich antworten soll, weil er mir gütigerweise die Möglichkeit zur Flucht gibt. Aber ich kriege keinen Ton raus. Mein Hals ist immer noch wie zugeschnürt und ich befürchte, wenn ich jetzt auch nur einen Satz sage, ist es vorbei mit meiner Selbstbeherrschung. Aber ich MUSS ja antworten.

Okay, atmen. Ich schließe einen Moment die Augen, konzentriere mich nur auf den Satz, den ich sagen will, und tatsächlich gelingt es mir einigermaßen.
'Tut mir Leid, Jimin, aber für heute bin ich echt zu müde. Ich glaube, ich haue mich direkt ins Bett und mache den Rest morgen. Vielleicht hast du morgen früh nochmal eben Zeit, dass du mir dein Feedback gibst?'
Klingt doch gar nicht mal so schlecht. Zumindest glaube ich, dass ich ihn damit nicht wieder total verschrecke, wobei wir uns da beide ja heute nicht viel tun. Noch ein letztes Mal durchatmen, bis ich mir sicher bin, die nächsten 30 Sekunden zu überstehen, ohne wie ein Baby loszuheulen.

"Nicht mehr heute. Sorry. Und danke."
Wow. Das klingt mal so gar nicht so, wie es soll. Wieso kann ich meine eigenen zurechtgelegten Sätze eigentlich immer selbst so gut total verhauen? Das muss mir erstmal jemand nachmachen. Ich erkenne an Jimins Blick sofort, dass es jetzt nicht unbedingt das war, was er erwartet hat. Bitte frag jetzt nicht nach. Bitte frag NICHT, ob alles okay ist. Denn dann ist alles vorbei. Ganz sicher.


ʝιɱιɳ

Ich ignoriere, dass ihm das Wasser in den Augen steht und spreche ihn nicht drauf an. Er würde seine Tränen nicht verstecken, wenn es ihm mir gegenüber egal wäre. Ein bisschen verwirrt bin ich allerdings darüber, wie knapp und kalt er mich abwimmelt. Aber was habe ich erwartet? Dass er mir dankbar um den Hals fällt? Oh Mann, Jimin. Leicht verschobene Wahrnehmung. Soooo wichtig bin ich nun auch wieder nicht.

"Ist schon o.k., Yoongi. Ich dachte, dass du vielleicht mein Feed Back noch für deine Prüfungsvorbereitung nutzen willst. Aber - hei, da ist nicht mehr viel vorzubereiten. Dazu ist der Song einfach zu gut. Aber du solltest bald schlafen gehen. Du musst morgen fit sein. Also ... gute Nacht!"
Sofort schließt Yoongi seine Tür wieder, und ich habe den Verdacht, dass er jetzt wirklich weint.

Ich fühle mich beschissen, aber ich konnte vorhin nicht anders. Yoongi fällt es ja sowieso schwer zu interagieren. Aber wenn ich dann auch noch dauernd Extrawürste brauche, wird es echt schwierig, unser WG-Leben auf die Reihe zu kriegen.
Einen Moment noch starre ich die geschlossene Tür an. Dann gehe ich ins Bad und gleich ins Bett. Schlaf! Den brauch ich jetzt ganz dringend.


𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Jimin hat noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da schließe ich die Tür wieder. Ich kann es nicht. FIT sein. Sehr witzig. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so verdammt scheiße gefühlt, wie jetzt gerade! Ich weiß, dass er es nur gut meint. Jimin ist lieb, aber... Ich kann das nicht. Nicht jetzt, nicht heute. Und schon gar nicht, wenn er dabei ist.

Die Einsamkeit lässt den Knoten endgültig platzen, und ich kann meine Tränen nicht mehr länger zurückhalten. Ich breche noch an der Zimmertür zusammen und weine mir die Seele aus dem Leib. Dabei kann ich nicht mal sagen, warum GENAU ich jetzt so fertig bin. Diese ganze Woche hat mich einfach total fertig gemacht. Es waren ZU viele Emotionen. Zu viel, was ich selbst nicht verstehe, was mich überfordert, aufwühlt, zerrüttet. Jimin hat mit seiner ganzen Art etwas ins Rollen gebracht, auch wenn ich es noch nicht greifen kann. Ich weiß nicht, ob das gut ist oder schlecht.
Die Songvorstellung werde ich morgen sicherlich verhauen, wenn ich dann immer noch so schräg drauf bin. Aber vielleicht ist auch das jetzt gerade eine Art Prüfung? In Sozialkompetenz, oder so. Persönlichkeitsentwicklung. Wer weiß. Vielleicht war es irgendwie nötig, dass Jimin und ich uns in dieser Woche so nah gekommen sind, uns gegenseitig verletzt haben, die Nähe des anderen suchen und im nächsten Moment wieder abblocken. Es muss irgendeinen Sinn haben. Wenn das hier alles umsonst war, dann drehe ich endgültig durch!

Ich schaffe es irgendwann zurück ins Bett, als ich keine Tränen mehr übrig habe. Ehrlich, ich fühle mich wie überfahren und als würde mein ganzer Körper aus tonnenschwerem Gestein bestehen.

Ein Gutes hat es allerdings. Auf jeden Fall merke ich, dass es nicht lange dauern wird, bis ich einschlafe. Ich bin so platt, dass ich meine Augen nicht mehr lange offen halten kann. Erschöpfungsschlaf nennt man das glaube ich. Kaum liege ich im Bett, spüre ich, wie ich langsam wegdämmere.


ʝιɱιɳ

Pustekuchen, Schlaf. Ich liege im Dunklen in meinem Bett und starre Löcher in die Luft. Yoongi weint. Und ich kann das kaum aushalten. Ist es richtig, dass ich mich so reserviert verhalte? Dass ich mich so schütze? Oder verstehe ich da vielleicht irgendwas ganz falsch oder keine Ahnung? Das Gefühl bei der Vorstellung, dass er da jetzt alleine in seinem Zimmer hockt und sich die Augen aus dem Kopf weint, das ist so richtig, richtig beschissen!

Auf jeden Fall möchte ich wirklich bald den Sack voller Fragen loswerden, die mir das Hirn blockieren.

Was ist es, das Yoongi so flattern und nervös werden lässt, sobald wir zusammenstecken?

Was ruft meinen Beschützerinstinkt so unverhältnismäßig doll auf den Plan?

Was hat mich - zweimal! - davon abgehalten, Yoongi so richtig die Meinung zu geigen, als er sich im Ton vergriffen hat? Ich bin doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Beim Kühlschrank konnte ich es doch auch! Was war da anders?

Was ruft dieses Gefühlschaos hervor?

Warum sind wir beide so empfindlich und gehen so schnell an die Decke?

Warum können wir uns nicht in die Augen schauen?

Was nutzt es, wenn wir beide gerne Zeit miteinander verbringen, aber im entscheidenden Moment laufen wir doch voreinander weg?

Dass Yoongi Schwierigkeiten hat, sich auszudrücken und kaum Zugang zu seinen Gefühlen hat, hab ich ja kapiert. Aber warum kriege ICH kein vernünftiges Wort mehr raus, sobald es um ihn geht?
Ich habe noch nie Schwierigkeiten gehabt, mit anderen Leuten klar zu kommen. Warum jetzt?
Warum tut es überhaupt so weh, wenn ein Kerl, der mir am Arsch vorbeigehen könnte, mich verbal attackiert? Oder mir die Tür vor der Nase zumacht?

Es ist ja nicht so, dass wir nicht schon ein ganzes Semester lang bestens ohne Kommunikation und Nervenflattern ausgekommen wären. Was ist neu???

Das scheint die entscheidende Frage zu sein. Was ist neu??? Das Blöde ist nur: ich habe KEINE Ahnung. Wenn Yoongi ein hübsches Girl wäre, würde ich sagen, dass ich vielleicht verliebt bin. Aber Yoongi ist ein Kerl. Also kommt das schonmal nicht in Frage. Denn dass ich auf Kerle stehe, DAS wüsste ich ...
Oh Mann, Jimin. Jetzt wirds langsam absurd. Schlaf endlich! Oder steh wieder auf und tanz. Oder mach IRGENDWAS Sinnvolles, statt hier solche haarsträubenden Spinnereien zu fabrizieren.

Ich werde mir jedenfalls morgen nach dem Training nochmal Jeongkwon schnappen und mit ihm zusammen sortieren, was heute wieder alles passiert ist. Ein paar Minuten versuche ich noch einzuschlafen, dann gebe ich es auf, steige wieder aus meinem Bett und übe Teile meiner Choreo, bis ich müde genug bin und endlich einschlafe.

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24.7.2021

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