25. Dernière Danse

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Während er zusammengerollt auf seinem Bett lag, beobachtete Lance wie der Zeiger seiner Uhr Sekunde um Sekunde weitertickte. Es war einer dieser kleinen quadratischen Reisewecker, die keinen Schlummermodus besaßen, sodass er schon etliche Male das Klingeln ausgestellt hatte und dann sofort wieder eingeschlafen war.

Doch nun würde er nicht verschlafen, er war schließlich schon hellwach.

Es war etwa halb neun am Morgen und mit jeder Sekunde, die verging, sah Lance zu, wir sein Zuspätkommen auch ohne Verschlafen immer näher rückte. Teilnahmslos beobachtete er den Zeiger beim Ticken, als wäre er ganz weit weg, irgendwo anders.

Sie würden um neun eine überstürzte, zweite Generalprobe haben, nun, da Keith nicht mehr da war.

Axca war wirklich die richtige Wahl gestern gewesen, sie hatte ihm ruhig zugehört und dadurch auch ungewollt sichergestellt, dass er selber nicht die Nerven verlor.

„Okay", hatte sie geseufzt und gefasst geklungen, obwohl man das erste Mal auch in ihrer Stimme den Stress hatte raushören können, „Die anderen sind alle noch hier bei mir, ich gebe ihnen alles weiter und sage ihnen auch, was wir tun werden.
Wahrscheinlich werden wir es so machen, wie du es vorgeschlagen hast, also mit der Computeraufnahme und deiner kleinen Audioaufnahme anstelle von Keith."

Sie hatte ihm aufgetragen, am Vormittag um neun für eine Probe im Opera House zu erscheinen, damit sie alles durchgehen konnten. Außerdem hatte er ihr seine Aufnahme von Keiths Solo schicken müssen, damit sie dieses als Ausschnitt in das Computerprogramm einfügen konnte.

Lance war vom Flughafen aus direkt nach Hause gefahren, wo er, entgegen seines Versuchs, alle Familienmitglieder zu meiden, Veronica über den Weg gelaufen war.
Seine Schwester hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte, und hatte den Rest des Abends damit verbracht, sich seine Sorgen anzuhören und ihn zu trösten.

Müde wie sie waren, waren sie nebeneinander in seinem Bett eingeschlafen, weshalb er vermutete, dass das, was in seine Kniekehle drückte, ihr Fuß war.

Als hätten seine Gedanken sie aufgeweckt, ertönte hinter Lance ein Grummeln und Schmatzen, das zeigte, dass Veronica am Aufwachen war.

Ein paar Minuten später murmelte sie verschlafen:

„Wie viel Uhr ist es?"

Woher sie wusste, dass er wach war, war ihm schleierhaft.

„Fast zwanzig vor neun."

„Was?!"

Noch nie hatte er seine Schwester schneller aufrecht ihm Bett sitzen sehen.

„Und warum bist du dann noch nicht auf deinem Fahrrad?!"

„Weiß nicht."

Entgeistert musterte sie ihn und bei ihrer nun grimmigen Miene wusste er schon, was kommen würde. Sie war ihrer Mutter einfach zu ähnlich.

„Hör mal, du kriegst jetzt deinen Hinter noch und machst dich fertig", begann sie dann schon, auch wenn sie die jüngere war, ziemlich sauer, „Wo ist dein Stolz als Tänzer hin? Als ob du so abhängig von einer mickrigen Person sein möchtest, die bestimmt noch nicht einmal tanzen kann!"

„Das kannst du nicht wissen, Keith ist-"

"Nicht hier!", fiel sie ihm ins Wort, „Also musst du's gut für euch beide machen, das würde er bestimmt wollen, also reiß dich jetzt zusammen!"

Lance verkniff es sich lieber, dass man sich schwer zusammenreißen konnte, da seine Schwester tatsächlich so gruselig wie seine Mutter war, wenn sie wütend wurde, und er es nicht riskieren wollte, aus seinem eigenen Bett gekickt zu werden.

Und sie hatte Recht, Keith würde es wahrscheinlich nicht gut finden, wenn er sich von den Geschehnissen so sehr aus der Bahn werfen ließ und all ihre gemeinsame Arbeit umsonst gewesen wäre. Es wäre respektlos Keiths Mühen gegenüber, aber genauso auch ihm selbst gegenüber, schließlich hatte er nicht minder hart geprobt.

Also stand der Tänzer auf, den sauren Blick seiner Schwester im Rücken, und machte sich daran, sich fertig zu machen und aus dem Haus zu kommen.

---

„Entspann deine Gesichtszüge, Lance. Allura, die Arme müssen an der Stelle noch etwas höher, behalte die Spannung im gesamten Körper bei. Vergiss nicht, zu lächeln!"

Sie waren seit drei Stunden schon durchgängig am Proben, die Hälfte des Orchesters hatte sich in den Zuschauerraum verzogen und sah von dort aus zu, während Coran und Axca unermüdlich mit den Tänzern und der anderen Hälfte der Musiker daran arbeitete, sich an die Situation zu gewöhnen. Der Dirigent hatte hauptsächlich Axca das Ruder überlassen, da er gemerkt zu haben schien, dass diese weitaus effektiver und strenger probte, was sie in ihrer jetzigen Situation gut gebrauchen konnten.

Dadurch, dass Keiths Position nun von einem Computerprogramm ersetzt wurde, mussten Allura und Romelle neben Lance ebenfalls alle Parts, die sie frei an das Orchester angepasst hatten, abändern, da das Programm natürlich nicht auf Corans Dirigat reagieren konnte.

Der Projektleiter musste sich diese Tatsache auch immer wieder selber ins Gedächtnis rufen, schließlich war er es überhaupt nicht gewohnt, an ein Gerät gebunden zu sein.

Die Stimmung war angespannt.

Ezor versuchte zusammen mit Nadia oft, durch Scherze und Anfeuerungsrufe, bei denen auch Shay und Lotor aus dem Orchestergraben mitmachten, die Unruhe, die in der Luft lag, aufzulockern, doch wirklich klappen tat es nicht.

Auf die Fragen der anderen hin, was denn genau mit Keith war, ob es seiner Mutter gut ging und ob er zur dritten Aufführung wieder kommen würde, hatte Lance nicht geantwortet. Er war den Fragen so gut wie möglich ausgewichen und hatte stattdessen all seine Energie und Konzentration darauf verwendet, sich, und vor allem seine Variation, an die Aufnahme und die neue Art zu gewöhnen, mit der das Stück nun gespielt wurde.

Nach ewigen Proben - auch alleine in einem der Säle im Untergeschoss - hatte er es nach der zweiten Mittagspause auf jeden Fall schon passabler drauf, als beim ersten Vortanzen. Er hatte erkannt, dass er die Aufnahme einfach nur oft genug hören musste, um sich einzuprägen, wie sie als nächstes klingen würde, sodass er nicht mehr so oft aus dem Konzept gebracht werden würde. Und wenn er sich fest genug konzentrierte, konnte er sich vor dem inneren Auge vorstellen, wie Keith dastehen würde, mit der Geige in der Hand.
Somit hatte er sich mal wieder bewiesen, dass man mit genügend Konzentration und Geduld auch Hindernisse überwinden konnte.
Zumindest ein wenig, denn wenn er einmal abgelenkt war, war das Bild des Dunkelhaarigen weg und seine Abwesenheit verwirrte ihn wieder so sehr, als hätte er seinen Nordpol auf einer Karte verloren.

Während also die Musiker ihre Pausen nach mehreren Stunden Proben draußen am Hafen verbrachten, hatten die drei Tänzer geprobt, soviel es ging.

Lance wusste, dass die Spannung in der Stimmung aller auch teilweise von etwas Wut kam. Schließlich war es keineswegs geplant gewesen, dass ihr Solist einfach verschwinden würde, ohne etwas zu sagen.

Doch viel konnten sie an dieser Situation nicht ändern, da es natürlich auch hätte sein können, dass er aufgrund von einer eigenen Erkrankung nicht auftreten konnte. So oder so waren sie schon von vorne rein nicht auf das Fehlen eines Mitgliedes vorbereitet gewesen, was, so sehr es auch alle ärgerte, einfach von schlechter Organisation zeugte.

Aber abgesehen davon war es nicht nur das Fehlen von Keith, das für Spannungen zeugte, es war auch die Tatsache, dass er einfach gegangen war, ohne sich zu verabschieden, ohne ihnen allen die Gründe zu nennen oder sich zu entschuldigen. Er war einfach abgehauen, hatte sie auf dem Trockene sitzen gelassen und nun mussten sie sich selber wieder aus dem Schlamassel ausgraben.
Dass Lance ihm geholfen hatte, den Flieger zu bekommen, half nicht wirklich, es machte alles nur schlimmer, da es nun so aussah, als würde ihn alles, was sie als Gruppe gemeinsam aufgebaut hatten, genauso wenig kümmern, wie den Violinisten.

Das hatte der Tänzer aus einer Diskussion zwischen Lotor und James heraushören können, als er auf dem Weg zum Klo gewesen war.

Während der Cellist zu versuchen schien, sich einen vernünftigen Reim auf die Geschehnisse zu machen und argumentierte, dass Keith von vorne rein nicht der Typ war, etwas aufzubauen und es dann liegen zu lassen, schien James vor allem vor Verletztheit wütend zu sein, dass der Musiker gegangen war.

Lance hatte beinahe sofort kehrt gemacht und war eine andere Toilette suchen gegangen. Es würde Keiths Aufgabe sein, sich zu erklären, falls er zurückkommen würde.
Außerdem glaubte er, dass er nicht die Energie hatte, mit dem Trompeter über die Nachvollziehbarkeit von Keiths Gründen zu diskutieren.

Sobald die Proben abgeschlossen waren und alle zurück nach Hause oder ins Hotel geschickt wurden, musste die Technik aufgebaut werden, die benötigt wurde, um den Klang des Programms im Saal zu verteilen und ihn mit dem Orchester verschmelzen zu lassen.

Während nun also die letzten Vorkehrungen getroffen wurden und Axca, die nur noch durch den Kaffee, den sie beinahe schon inhalierte, auf zwei Beinen stand, ein paar Besorgungen machte, lag Lance bei sich im Garten und starrte in den Himmel.

Über den Tag hinweg hatte er es geschafft, seine Zweifel und Sorgen zu verdrängen, die Gedanken an Keith und auch alles andere so gut wie möglich wegzuschieben. Und da er sich so gut wie immer auf das Tanzen hatte konzentrieren müssen, hatte es sehr gut geklappt, doch jetzt kamen sie in kleinen Schüben zurück.

Allein die Tatsache, dass er ohne Keith das Solo mehr schlecht als Recht tanzen konnte- was, wenn jemand im Orchester ausversehen einen falschen Ton spielte, seine Vorstellung vom Musiker vor seinem inneren Auge platzte, und er dastehen würde, wie der letzte Idiot auf Erden?

Denn, es war unglaublich, doch sobald er sich in der Choreographie in die Richtung des Violinisten wandte und dieser nicht dort stand, war alles aus seinem Kopf verschwunden.
So gut wie immer suchte er sich beim Tanzen einen Orientierungspunkt, an den er sich immer richtete, doch er hätte es nicht für möglich gehalten, dass es solche Folgen haben würde, wenn dieser verschwand. Es war geradezu peinlich.

Schritte näherten sich. Marco.

„Hey", meinte sein Bruder, und setzte sich einfach neben ihn auf den Terrassenrand, „Veronica hat erzählt, was los ist."

„Hat sie das?"

„Ja."

„Mhm."

„Weißt du", fuhr Marco fort und schlang seine Arme um seine schmalen Knie, „Ich glaub an dich."

Lance sah zu ihm hinüber.

„Du schaffst das schon", fuhr de Fünfzehnjährige fort und zupfte an seinen Handschuhen, die Lance viel zu sehr an Keith erinnerten. „Und, selbst, wenn du es verhauen solltest- du bist immer noch ein Mensch und ein Mensch kann nie perfekt sein."

„Hm."

„Glaub mir", bestärkte Marco und ging nun dazu über, mit den Löchern der Netzstrumpfhose zu spielen, die er mal wieder unter seinen zerrissenen Hosen trug. „Du musst dich nur gut genug verkaufen können. Also, sollte etwas schieflaufen, tu so, als wäre es gewollt gewesen und improvisiere einfach, bist du wieder in bekannten Gewässern bist. Solange es gut aussieht, gefällt es doch allen und selber wenn irgendwelche Schlauberger was bemerken, zeigt das doch nur, wie professionell du dich auf der Bühne verhältst."

So ungerne der Tänzer seinem Bruder Recht gab, hier hatte Marco definitiv einen Punkt, das musste Lance zugeben.

„Okay", antwortete er als und lächelte den Teenager von der Seite leicht an, „Ich werde es versuchen."

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Das mit dem Versuchen war leichter gesagt als getan.

Da es an eine Aufnahme gebunden war, spielte auch das Orchester anders, als die ganze Zeit zuvor, und auch, wenn sie vormittags geprobt hatten, hatte der Tänzer sich noch nicht ganz daran gewöhnt.

Die Spannung der Musiker drang unter der Bühne hervor und übertrug sich auch auf die Tänzer. Was würde passieren, wenn plötzlich die Verstärker nicht mehr funktionierten? Was, wenn Axcas Computer abstürzte?

Es war wohl einer der nervenaufreibendsten Auftritte, die Lance je hinter sich gebracht hatte.

Allura, die noch am besten mit Druck und fremden Bedingungen umgehen konnte, zog resolut und konzentriere ihr Programm durch- sie schaffte es sogar, Lance aufmunternde Blicke zuzuwerfen.
Doch auch Romelle konnte man die Nervosität anmerken und vor allem an der Tatsache, dass sie schwierige Teile ihrer Choreo kurzfristig durch leichtere ersetzte, zeigte, dass sie auf Nummer sicher gehen musste.

Lance selber gab sein bestes und hielt die erste Hälfte des Stücks sogar gut durch, besser, als er gedacht hätte.
Aber als er nach der kleinen Pause auf der linken Seite der Bühne für seine Variation in Position ging, schlich sich die Angst wieder in seine Knochen.
Und das war ungewohnt, normalerweise war er sich seines Könnens bewusst und wusste, dass er die Situation retten konnte.

Doch hier überlegte er für den Bruchteil einer Sekunde ernsthaft, einfach zu improvisieren und die zurechtgelegten Tanzschritte von etlichen Stunden Probe einfach zu vergessen. Aber für Improvisation musste er sich wohl fühlen, und das war gerade nicht der Fall.

Also biss er die Zähne zusammen, atmete tief durch, rief sich das Bild von Keith vors innere Auge, wie er wie gestern auf der rechten Bühnenseite am Rand stehen und Geige spielen würde, und tanzte, so gut es ging.

Anscheinend hatte das intensive Training am Morgen doch etwas gebracht, denn nun war er auf den Weg der Musik vorbereitet und konnte sich somit nach kleinen Fehlern wieder fangen und sie überspeilen. Wie Marco gesagt hatte: Einfach so tun, als sei das alles gewollt gewesen.

Lance musste all seine Willensstärke aufbringen, um seine Beine noch genauso zu strecken, wie zuvor, um seine Miene neutral zu halten oder sogar die Lippen zum Lächeln zu bringen, um die Schultern nicht sacken zu lassen und Haltung zu bewahren.

Ihm fielen Dinge auf, die ihn zuvor nie gekümmert hatten. Die Lichter stellten ihn in helles Rampenlicht, alle Augen lagen auf ihm. Seine Fußballen wurden von den neuen Schuhen, die er sich entschieden hatte, zu tragen, aufgerieben, die Naht hätte er mit etwas Seife oder Wachs einreiben sollen, da sie nun seine Achillessehne aufrieb. Die leichte Überdehnung, die er sich gestern bei einem Sprung geholt hatte, tat nun mehr weh, als würde sie sich in sein Aufmerksamkeitsfeld drängen wollen.

Er fühlte sich bloßgestellt.

Bloßgestellt vor über eintausend Leuten. Wahrscheinlich würden sie nach dem Stück nach Hause fahren und sich über seine Vorstellung unterhalten.
„Habt ihr das gesehen? Diesen Tänzer hätten sie besser auswählen können, für die Hauptrolle hat das überhaupt nicht gereicht. Und der will professionell tanzen?"

Bloßgestellt, nutzlos, lächerlich.

Was tat er eigentlich hier?

Wozu tanzte er überhaupt noch, es machte doch keinen Unterschied mehr, die Zuschauer würden so oder so ihr Geld zurückhaben wollen.

Doch das konnte er den anderen nicht antun, nicht Romelle, die ein wenig zu viel vorher gegessen hatte und in ihrem engen Kostüm nun schlecht atmen konnte, nicht Allura, die tapfer als einzige einen kühlen Kopf bewahrte.
Er hatte gesehen, wie sie sich vor dem Auftritt erschöpft an Lotor gelehnt hatte, als würde sie nur noch schwer Energie tanken können, doch kaum hatte sie ihn bemerkt, hatte sie sich aufgerichtet und ihm ein Lächeln geschenkt. Sie tat ihr Bestes, um all seine Patzer aufzufangen, munterte ihn auf, und wenn er schon nicht als Freund für sie da sein und sie stützen konnte, dann sollte er sie wenigstens nicht im Stich lassen.

Also griff der Tänzer auf die letzte Möglichkeit zurück, die ihm noch blieb und die er zuletzt vor sieben Jahren angewandt hatte.

Distanz.

Er distanzierte sich von seinem Körper, zog sich zurück irgendwohin, weit, weit weg.

Alles, was er noch tat, war, der Puppe, die von ihm übrigblieb, Befehle zu geben.

Die Puppe konnte weiterhin die Beine heben, sie spürte keine Schmerzen, sie konnte lächeln und stur den Takt zählen, sie konnte Haltung bewahren und hatte keine Tränendrüsen, sodass sie auch nicht weinen konnte.

Dadurch, dass er sich in sich selber zurückgezogen hatte, gewann Lance die Kontrolle über seine äußere Erscheinung wieder zurück und hielt den Rest des Stücks durch.

Er verbannte alle Gedanken und Gefühle und tanzte stur, was sie vereinbart hatten.

Als der Applaus ertönte, war das Lächelnd phasenweise auf sein Gesicht gekleistert, so festgetackert, dass seine Muskeln schon begannen, von der Falschheit zu zittern.

Und, er wollte nichts verschönern, der Applaus war höflich.
Als Zuschauer sollte man wissen, dass ein Künstler auf der Bühne durch den Applaus mehr erfuhr, als durch tausend Worte. Ein Künstler spürte, wenn das Publikum nicht wegen des Auftritts klatschte.

Und, zumindest in Lance' Ohren, sagte der Applaus, der am Tag des zweiten Auftritts zu den Projektmitgliedern drang:
Danke für eure Mühen und den Mut, euch so auf der Bühne zu präsentieren. Wir haben Mitleid mit euch, sind aber so höflich, euch nicht in komplette Stille blicken zu lassen, da wir eigentlich bei weitem mehr erwartet hatten.

Zugegebenermaßen war Lance froh, dass der Applaus auch nicht so lange anhielt, sodass sie sogar weniger oft von der Bühne gingen und sie wieder betraten, als sonst.

Es war wie eine beruhigend kühle Decke, als der Vorhang fiel und für den Abend auch endgültig unten blieb.

Das Lächeln fiel von Lance' Gesicht, als hätte der Tesafilm sich gelöst und er erlaubte sich, in seinen Körper zurückzukehren.

Und wie eine Welle, die über ihm zusammenbrach, durchflutete in Scham. Und Verzweiflung. Und Reue.

Er stand da, im Backstagebereich des Joan Sutherland Theaters, dort, wo er schon immer einmal hatte tanzen wollen, hatte die Arme um sich geschlungen und begann, zu zittern, wie selten in seinem Leben.

Und auch, wenn Allura sofort bei ihm war und sein Gewicht auffing und ihn umarmte und an sich drückte und tröstete, fühlte er sich so alleine, wie noch nie zuvor.

---

Der Abend war verschwommen an Lance vorbeigezogen.

Er konnte sich nur noch an einzelne Bilder erinnern, wie zum Beispiel an die zweite Diskussion von Lotor und James, der nach dem Auftritt seiner Frustration über Keiths Verschwinden freien Lauf gelassen hatte. Oder an Corans betrübtes Gesicht. Die Kleiderständer mit ihren Kostümen.

Axca, die versucht hatte, ihn aufzumuntern.

„Glaub mir, du schätzt das völlig falsch ein", hatte sie gesagt, mit ihrem neutralen Blick und sachlichen Ton, der ihm wirklich etwas geholfen hatte, „Für ungeübte Augen und Leute, die die gestrige Vorstellung nicht gesehen haben, war es zwar nicht grandios- aber absolut grottig war es auch nicht."

Da Allura mit Lotor verabredet gewesen war und Romelle einen zu großen Umweg hätte fahren müssen, hatte die blonde Tänzerin Hunk angerufen, der sofort gekommen war, um seinen besten Freund nach Hause zu begleiten.

Er war es auch gewesen, der Lance' Familie erklärt hatte, was los war, während der Tänzer sich bettfertig gemacht hatte, sodass dieser nicht mit Fragen bestürmt wurde.

Nun lag der Braunhaarige also in seinem Zimmer, den Rücken der Wand zugewandt und die Beine angezogen.

Die Kopfhörer in seinen Ohren spielten immer wieder ein und dasselbe YouTube Video ab, das er vor ein paar Tagen gefunden hatte: Keith, wie er an dem Tag ihres Kennenlernens „Mirrors" in den Rocks gespielt hatte.

Stupf starrte der Tänzer in die Dunkelheit seines Zimmers und erlaubte es sich hier nun gänzlich, loszulassen und still für sich zu weinen.
In dem Moment wünschte er sich nicht, den Auftritt rückgängig zu machen.

Nein, alles, was er wollte, war, Keith bei sich zu haben und sich nicht mehr so alleine zu fühlen.

Ob er dann den Violinisten vor Freude umarmen und küssen, oder ihm vor Wut eine reinhauen würde, war etwas anderes.

Denn auch, wenn er selber Keiths Entscheidung, nach Tokio zu gehen, unterstützte, war er, genau wie James, sauer, dass der Schwarzhaarige alle - ihn - alleine gelassen hatte.

Er vermisste ihn unglaublich sehr.

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